Warum Wahlbeobachtung notwendig ist: drei Fälle aus Berlin

Berlin hat gewählt. Die Bürgerinitiative „Ein Prozent“ hatte wieder eine Direktberatung für alle Wahlbeobachter per Infotelefon, E-Mail, Facebook und Twitter eingerichtet, um bei Problemen schnell zu helfen und diese im Nachgang zu bearbeiten.

Noch immer kommen zahlreiche Hinweise bei uns an, die wir auswerten, doch die drei folgenden Fälle möchten wir Ihnen bereits jetzt vorstellen. Sie stehen stellvertretend für die vielen Zuschriften und Vorgänge, die uns erreicht haben.

Fall 1 – Heute darf jeder wählen, auch ohne deutschen Paß


Am Sonntag wurde nicht nur das Abgeordnetenhaus von Berlin neu gewählt, sondern auch die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) der zwölf Bezirke. Wie bei Kommunalwahlen üblich, durften hier auch EU-Ausländer und Jugendliche mit wählen. Im Wahllokal 406 ging man etwas zu großzügig mit dieser Regelung um.

Durch eine ungenaue Kontrolle der Ausweise und einer unachtsamen (?) Ausgabe der Wahlzettel wurden nach Zeugenaussagen auch von EU-Ausländern Stimmen für das Abgeordnetenhaus abgegeben. Ein aufmerksamer Wahlbeobachter wandte sich an die Landeswahlleiterin und diese wiederum an den Wahlvorstand, um dem Treiben ein Ende zu setzen.

Fall 2 – Briefwahllokal von Polizei geräumt


Immer wieder fällt auf, daß gerade in Briefwahllokalen abweichende Ergebnisse auftauchen. Bei der vergangenen Berlinwahl gab es 653 Briefwahllokale, in denen meist unter Nichtbeachtung der Öffentlichkeit ausgezählt wurde. Einige Wahlbeobachter besuchten das Briefwahllokal in der Stralsunder Str. 57 und wollten der Auszählung beiwohnen. Vor Ort versuchte man, die Wahlbeobachter auf Abstand zu halten und wies ihnen einen Platz in 6 Metern Entfernung zu.

So war eine sinnvolle Wahlbeobachtung nicht möglich. Wahlvorstand und Wahlbeobachter diskutierten. Es endete damit, daß die Polizei gerufen wurde und die Wahlbeobachter entfernte. Dabei wäre es die Aufgabe der Polizei gewesen, das Recht auf Wahlbeobachtung durchzusetzen und es nicht zu untersagen. Wir haben die Landeswahlleiterin informiert und werden uns die Ergebnisse dieses Briefwahllokals besonders genau anschauen.

Fall 3 – Wahlbeobachtung so unangenehm wie möglich


Der Fall aus dem Wahllokal 322 steht stellvertretend für viele Meldungen von Wahlbeobachtern. Es zeigt, daß einige Wahlvorstände gern unter sich bleiben wollten und es den Beobachtern so schwer wie möglich machten. Wieder wurde ein Abstand vorgegeben, bei dem eine Sichtung der Wahlzettel unmöglich war. Ergebnisse und Wahlbeteiligung wurden nicht deutlich verkündet und die Beobachter an ihrer Arbeit gehindert.

In diesem Fall ließ sich der selbstbewußte Wahlbeobachter nicht entmutigen. Er kontaktierte das Büro der Landeswahlleiterin. Nur um dort die falsche Auskunft zu erhalten, daß er kein Recht hätte, die Stimmzettel zu sehen. Zum Glück blieb der Beobachter hartnäckig und sorgte im Wahllokal für eine ordnungsgemäße Auszählung.

Diese drei Fälle stehen stellvertretend für viele Erlebnisse von engagierten Bürgern, die für eine korrekte Wahl sorgen wollten.

Es gab erfreulicherweise auch andere Geschichten. So erhielten wir zahlreiche Rückmeldungen, wie Beobachter auf Fehler aufmerksam machten, Stimmen von alternativen Parteien sicherten oder durch ihre bloße Anwesenheit für Aufsehen sorgten. Diese Fälle zeigen also wiederum, daß Wahlbeobachter, Unterstützer und die Bürgerinitiative „Ein Prozent“ gemeinsam etwas bewegen und alle zusammen an jedem Wahlsonntag in diesem Land ihren kleinen Beitrag leisten.

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Kommentare (7)

Joachim Röhl
Ich habe hier an anderer Stelle bereits über meine Wahlbeobachtung im Lokal 403 in Berlin-Weißensee prinzipiell positiv berichten können. Ergänzen muss ich aber in Anbetracht hier eben eingestellter Berichte, dass auch ich etwas merkwürdiges feststellen konnte.
Nachdem ich selbst um 17:45 gewählt hatte, betrat kurz drauf als einer der letzten Wähler ein energischer junger Mann das Wahllokal, der jedoch keinerlei! Personaldokumente bei sich hatte und nur einen Wahlschein vorlegte, der für die Briefwahl gebraucht wird. Zunächst sollte er auch ohne Identität zur Wahl zugelassen werden und eine jüngere Wahlhelferin äußerte sich laut in der Diskussion "wir haben doch heute mehrere gehabt, die wir nur mit Wahlschein und ohne Dokumente haben wählen lassen!"

Ich spitzte die Ohren und erklärte dann deutlich dem Wähler und den Wahlhelfern, dass dies so nicht gehen kann. Schließlich eine halbe Stunde nach Schließung des Lokales verweigerte die Wahlleiterin nach telefonischer Rücksprache mit der Landesleitung dem jungen Mann die Stimmenabgabe. Für mich eine schwierige Situation, denn ich hatte bis auf die Aussage der sich verplappernden jungen Wahlhelferin über die "anderen Fälle" keinerlei Beweise.

Fazit: pro Wahllokal muss ganztags ein Wahlhelfer plus abends ein Wahlbeobachter anwesend sein um eine faire Wahl zu garantieren. Alles andere ist das System "Schweizer Käse" und der hat bekanntlich große Löcher.
Walter Wega
Ja,so kann jeder mehrer Stimmen abgeben.z.b. nimmt er die Papiere seiner Eltern die nichts mehr mitbekommen...oder es werden Papiere in einem Altenheim von Demenzkranken genommen etc.,oder es wird in Hochhäusern geklaut...

GLaubt etwa jemand das Linke die Polizei Autos anzünden und Radmuttern bei Polizisten lösen davor zurückschrecken?Das liegt bei denen noch unter Kirschen klauen.
Commander Shepard
Was die drei Fälle betrifft stellt sich nur noch eine Frage: wo leben wir eigentlich? "Wahlbeobachtung so unangenehm wie möglich" zu machen, das sind Verhaltensweisen - oder sollte man schon von Methoden sprechen? - die man in der "BRD" nicht erwartet hätte. Oder war es in Wahrheit schon immer so? Es scheint als habe es nur eine Partei gebraucht, die den Lack abkratzt.

In der DDR würde man Wahlbeobacher gar nicht zugelassen haben. Unter Pol Pot hätte man den Gedanken mit dem Tode bezahlt. Unter Stalin wäre vermutlich ein ganzes Dorf nach Gorki verbannt worden. So bleibt über die "BRD" nur zu sagen, es ist ein System auf der Kippe. Man traut sich noch nicht ganz, leistet aber bereits gute Arbeit auf dem Weg zum Terror-Regime.

Ob es da reicht AfD zu wählen? Wenn ein System diesen Weg einschlägt, könnte es für Formalpolitisches bereits zu spät sein.
Roland B.
Bericht von der (Chaos-)Wahl in Berlin

Ich war dabei und erlaube mir ein Urteil.

Fangen wir mit den Wahllokalen an. Überall lange Warteschlangen, weil es nur 2 Wahlkabinen gab. Ist kein Geld da, um 4 solcher Sperrholzgestelle aufzustellen, die man in 10 Minuten mit Hammer und Nägeln basteln kann?

Berechtigte Frage, da für Merkels Gäste immer Geld da ist. Das ist das, was die Wähler sofort denken. Bringt der AfD noch mehr Zulauf.

Kommen wir zu der archaischen Stimmauszählung. Ich war gestern Wahlvorsteher in einem Briefwahllokal. Da gibt es ein paar Besonderheiten – aber auch in normalen Wahllokalen läuft es ab 18.00 Uhr so wie dort.

Die Wahlvorsteher wurden zu 14.30 Uhr einbestellt. Der Rest zu 15.00 Uhr. Also Zeit bis 16.00 Uhr, um aus dem Fenster zu gucken. Denn vor 16.00 Uhr durfte keine Wahlurne geöffnet werden.

Acht Menschen sitzen und warten. Und warten.

Dann Ausschüttung der Wahlbriefe. Öffnen, Kontrolle des Wahlscheins und des eigentlichen Wahlbriefes auf Unbedenklichkeit ( Ist das Ding zugeklebt? ).

Nach 75 Minuten war das erledigt. Die gezählten und noch verschlossenen Wahlbriefe zurück in die Urne. Wir hatten ca. 800, in denen jeweils 3 Stimmzettel lauerten.

Also wieder warten. Warten. 18.00 Uhr. Aufschlitzen der Wahlbriefe und drei Häufchen machen. Erststimme, Zweitstimme und BVV-Wahl. Auf jedem Zettel darf nur ein Kreuz sein. Dann gültig.

Durchzählen der ca. 2400 Zettel. Ist vorgeschrieben und sinnvoll, damit man diese Zahl mit den auf die Parteien verteilten Zahlenwert abgleichen kann.

Machen die meisten aber nicht, da das unnötige Zeit kostet und alle schnell nach Hause wollen. Wir haben es gemacht und gerieten natürlich ins Hintertreffen.

Jetzt komme ich gleich mal zu möglichen Manipulationsmöglichkeiten. Denn es sind nicht wenige.

Der Wahlvorsteher ist eine halbe Stunde völlig allein mit den Wahlurnen. Er könnte nach Belieben Wahlbriefe verschwinden lassen. Keiner würde es merken.
Mir wurde einfach der Zimmerschlüssel ausgehändigt, weil ich behauptete Wahlvorsteher zu sein. Kein Blick auf meine Legitimation. Keine Frage nach meinem Namen. Ich hätte als Fremder beide Wahlurnen entführen können.
Aber ich war zufällig doch der richtige Wahlvorsteher. ?
Wenn das Durchzählen der Stimmzettel vor Aufteilung auf die 17 Parteien entfällt, kann jeder Helfer beliebige Zahlen für die Parteien erfinden. Das ist ganz einfach, da der Wahlvorsteher nicht sieben Leute kontrollieren kann. Vor allem kann er nicht allein 2400 Wahlzettel persönlich zählen. Dann würde er jetzt noch beschäftigt sein.
Bei vielen Briefwählern wurde eine Hilfsperson eingetragen. Gründe: Der Wähler ist nicht geschäftsfähig – aus Altersgründen oder durch geistige Krankheiten. Diese Stimmen sind nicht einem Wählerwillen entsprungen, sondern der jeweiligen Hilfsperson. ?
Das ist wirklich ein Schwachpunkt – denn diese Hilfspersonen hatten entweder CDU oder SPD angekreuzt.
Jeder Stimmauszähler kann überdies auch ungültige Stimmen unterschummeln. Denn wer soll das kontrollieren? Niemand läßt die Zettel durch zwei Personen zählen. Dann wäre es weit nach Mitternacht. Um 21.00 Uhr machte sich dann auch Unruhe breit – bei meinen Kollegen. Übrigens – die ersten Auszähler in anderen Zimmern waren tatsächlich um 21.00 Uhr fertig.

Wie wir sehen, gibt es bei der Briefwahl ungeahnte Möglichkeiten zur Manipulation. Bei den „richtigen“ Wahllokalen gelten die Punkte 3. und 5.

Betrachten wir die Motivation der Wahlhelfer. Meine Gruppe war Ü 50 – bis auf eine junge Dame, die als Ersatzhelferin gekommen war. Sieben waren freiwillig da – nur die Schriftführerin wurde verpflichtet.

Ich selbst war acht Stunden vor Ort und habe satte 35 Euro kassiert. Man muß das mal ausrechnen – Ehrenamt hin oder her – und kommt auf stolze 4 Euroirgendwas pro Stunde.

Es ist kein Geld da. Nicht für uns. Das ist der Tenor. Für Merkels Gäste schon. Das sagen nicht die AfD-Wähler, sondern die Wahlhelfer. Und meine waren alle linkslastig.

35 Euro waren für die meisten der Grund, überhaupt mitzumachen. Das wurde mir auch bei meiner Zigarettenpause bestätigt. Und 35 Euro sind definitiv für diesen Stress ein Witz. Ich arbeite gern und darf in meiner Branche einen Stundensatz von 100 Euro berechnen – aber diese acht Stunden Ehrenamt waren die Hölle.

Nochmal zum Chaos. Nur durch Zufall beim Rauchen erfuhr ich, wo ich das Geld für meine Leute bekomme. Die Mitarbeiter an den Info-Ständen wußten das nicht.

Gegen 22 Uhr haben wir dann unseren Kram abgeben wollen. Stau im Rathaus. Nur eine Annahme- Stelle und eine Riesenschlange. Offensichtlich hatten auch die anderen Wahlhelfer zur gleichen Zeit die Schnauze voll.

Nun wußte ich auch, warum die ersten um 21.00 Uhr fertig sein wollten.

Unterm Strich:

Unnötiges Chaos durch die Verantwortlichen im Rathaus. Es war ja nicht die erste Wahl. ?
Die Stimmen in meinem Briefwahllokalokal stimmten mit dem Gesamtergebnis in dem entsprechendem Teil Pankows überein – Linke vor SPD, Grüne und CDU.
Wahlmanipulationen leicht möglich – aber nicht feststellbar. Es gab ja auch keine knappen Ergebnisse, bei denen 10 Stimmen entschieden haben.
Schriftführer ist der undankbarste Job – Vorsteher kommt gleich danach. Also wenn ich das nochmal machen sollte – wieder Vorsteher. Alle sind weg und die beiden beschäftigen sich mit Beamtendeutsch, um alle Zeilen zu füllen.
Wir leben noch nicht im Computerzeitalter; Vorschlag von mir folgt.

Jetzt fiebern wir natürlich Rot-Rosa-Grün entgegen.?

P.S. Es war kein Wahlbeobachter bei uns, nur eine Dame von Infratest.

https://ossiblock.wordpress.com/2016/09/19/bericht-von-der-chaos-wahl-in-berlin/
Friedericke Hacker
Ich wohne zwar nicht mehr in Berlin, sondern mittlerweile in Potsdam-Mittelmark, aber auch hier hat mich der Wahlablauf sehr erstaunt.

Ich stand in der Schlange mit meiner Wahlbenachrichtigung und meinem Ausweis. Es hat mich schon erstaunt, dass bei den beiden Damen vor mir nicht nach den Ausweis gefragt wurde, aber gut. Ich dachte mir noch, dass ich ja erst vor kurzem her gezogen bin und die sich vielleicht persönlich kennen und deshalb darauf verzichten. Kann ja sein. Aber auch meinen Ausweis wollte niemand sehen! Und bei denen nach mir wurde auch nicht danach gefragt.
Das hat mich schon sehr erschreckt. Da kann ja wirklich jeder dort hingehen und sein Kreuzchen machen, egal wer er ist.
Diese Wahl ist eine einzige Farce!
jfk
wie wird man denn nun Wahlbeobachter - einfach hingehen und mitmachen ??
Anja A.
Ja, Sie werden Wahlbeobachter, indem Sie um 18 Uhr zum Wahllokal gehen und sagen, dass Sie die Wahl beobachten möchten. Am besten nehmen Sie Stift und Zettel mit, um die Endergebnisse zu notieren. Ich bleibe in der Regel so lange, bis die Ergebnisse vom Wahlvorsteher per Telefon an die nächst höhere Ebene weiter gegeben wurden.

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