- Beobachtung der „Jungen Alternative“ und des „Flügels“ sind verfassungswidrig
- Wir erklären, was Prüffall und was Verdachtsfall bedeuten
- Es gibt mehrere juristische Ansätze, um gegen die undemokratische Beobachtung zu klagen
Heute meldet der neu und eigentlich nur hierfür von der Bundesregierung eingesetzte Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, dass die AfD bundesweit zum Prüffall erklärt wird und die Untergliederungen „Junge Alternative“ (JA) und „Der Flügel“ bundesweit als „Verdachtsfall“ beobachtet werden. Bereits im November 2018 hatten wir darüber berichtet, dass der Verfassungsschutz im Bund und Ländern laut Bundesverfassungsgericht mit verfassungswidrigen Gesetzen arbeitet und nur im Sinne der Altparteien handelt – nun geht er einen Schritt weiter in Richtung gelenkter Demokratie mit überwachter Opposition.
„Ein Prozent“ erklärt:
Was bedeuten „Prüffall“ und „Verdachtsfall“ konkret und warum verstößt der Verfassungsschutz damit gegen geltendes Recht, um der AfD in der Öffentlichkeit zu schaden? Außerdem: Was kann die AfD aufgrund der rechtlichen Lage jetzt tun?
„Prüffall“ rechtlich nicht geregelt
Mit der Verkündung des „Prüffalls“ versucht der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, eine neue Kategorie der Beobachtungsstufen des Verfassungsschutzes zu konstruieren. Haldenwang will damit die Befugnisse des Inlandgeheimdienstes bewusst ausweiten und geltende Regelungen umgehen, die besonders Parteien vor den schwerwiegenden Nachteilen einer auch nur angekündigten Beobachtung schützen sollen.
Denn wie die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages bereits im März 2016 feststellten,
„kommt bereits der offenen Beobachtung, die sich ‚lediglich‘ auf die Sammlung und Auswertung öffentlich zugänglicher Informationen bezieht, Eingriffscharakter zu.“ Und weiter: „Die Beobachtungsmaßnahmen des Verfassungsschutzes können ferner das Recht auf Chancengleichheit der Parteien aus Art. 21 Abs. 1 S. 2 GG beeinträchtigen, wenn sie öffentlich werden.“ [Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages; Beobachtung von Parteien durch den Verfassungsschutz; vom 9. März 2016, S. 5.]
Hieraus ergibt sich ein Spannungsverhältnis, bei dem der „Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einerseits und die Rechte der Parteien aus Art. 21 Abs. 1 S. 2 GG andererseits“ berücksichtigt werden müssen. Dieses Spannungsverhältnis muss mit dem „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ gelöst werden.
Dieser ist durch den Verfassungsschutz intensiv und nichtöffentlichzu prüfen. Dazu das Bundesverwaltungsgericht [BVerwG NVwZ 2011]:
„Der Gesetzgeber hat die Aufgaben und Befugnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz so bestimmt, dass Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht der Parteien auf das zur Selbst-verteidigung der freiheitlichen Demokratie zwingend Gebotene beschränkt bleiben. (...) Die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall genügt zur Wahrung der Rechte und schützenswerter Belange Betroffener. Dies gilt auch für politische Parteien (...). Werden die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung von Parteien durch den Verfassungsschutz eingehalten und wird dabei insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt, greift diese Beobachtung nicht stärker in den offenen Wettbewerb der Parteien um die Möglichkeit politischer Gestaltung ein, als dies mit Rücksicht auf die Verteidigung der verfassungsrechtlichen Grundlagen der Demokratie erforderlich ist.“
Das bedeutet, „dass von mehreren geeigneten Maßnahmen diejenige zu wählen ist, die den Betroffenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Ferner darf die Maßnahme nach § 8 Abs. 5 S. 2 BVerfSchG keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht.“ [Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages; Beobachtung von Parteien durch den Verfassungsschutz; S.10]
Es ist daher durch die AfD gerichtlich zu klären, wie und ob die Prüfung der Verhältnismäßigkeit erfolgt ist, und wie die besonderen Rechte der Partei nach Artikel 21 GG gewahrt wurden.
Was bedeutet der Prüffall inhaltlich?
Der Prüffall ist nichts weiter als die alltägliche nichtöffentliche Arbeit des Verfassungsschutzes. Ihn öffentlich zu verkünden geschieht nur, um dem Beobachtungsobjekt in der gesellschaftlichen Wahrnehmung zu schaden. So erklärte der Verfassungsschutzpräsident von Thüringen, der Sozialpädagoge Stephan Kramer, bei einer Pressekonferenz am 6. September 2018 zur Einstufung des AfD-Landesverbandes Thüringen als „Prüffall“:
„Was bedeutet der Prüffall jetzt konkret? Er bedeutet konkret, dass offen zugängliche Unterlagen und Informationen der Partei und über die Partei anlassbezogen sowie in regelmäßigen Abständen konsequent und planmäßig gesammelt, ausgewertet und bewertet werden.“
Ansonsten ist der Prüffall des Verfassungsschutzes ist rechtlich nicht geregelt. Insgesamt gibt es wenige Regelungen für Beobachtungsmaßnahmen der Verfassungsschutzämter.
„Besondere Vorschriften für die Zulässigkeit von Beobachtungsmaßnahmen gegenüber Parteien enthalten die Verfassungsschutzgesetze von Bund und Ländern nicht. Als Rechtsgrundlagen für Beobachtungsmaßnahmen kommen daher allein die allgemeinen Befugnisnormen der Verfassungsschutzgesetze in Betracht.“ [Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages; Beobachtung von Parteien durch den Verfassungsschutz; S.10.]
Was heißt Verdachtsfall?
Für Verdachtsfälle gilt der Grundsatz, dass diesen „tatsächliche Anhaltpunkte“ zugrunde liegen müssen, die im vorliegenden Fall in Bezug auf „Junge Alternative“ und „Flügel“ nicht vorhanden sind oder konstruiert wurden.
Hier ist auch das Urteil der Bürgerbewegung Pro Köln aus dem Jahr 2013 interessant, das diesen Grundsatz noch einmal bestätigt. Als Grundlage wird auch hier die Verfassungsbeschwerde der Jungen Freiheit herangezogen:
„Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2005 in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der ‚Junge Freiheit‘ stehen bei entsprechender gesetzlicher Ermächtigung verfassungsrechtliche Bedenken einer Unterrichtung der Öffentlichkeit über Verdachtsfälle nicht entgegen, sofern die tatsächlichen Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen hinreichend gewichtig sind, um die Veröffentlichung in Verfassungsschutzberichten auch angesichts der nachteiligen Auswirkungen auf die Betroffenen zu rechtfertigen“. [BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 <80 ff.>]
Da die „Junge Alternative“ und der „Flügel“ nun als Verdachtsfall eingestuft worden sind, können Sie auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht werden. Konkret heißt das, dass personenbezogene Daten gespeichert werden können, es Kooperationen mit V-Leuten geben kann und dass Observationen stattfinden könnten. Alles in allem sehr harte Eingriffe in die Arbeit der Gruppen und in das Leben der dort aktiven Patrioten, die im Sinn der gelenkten Demokratie einen abschreckenden Effekt erzielen sollen.
Sonderfall Bremen: Verdachtsfall = Prüffall
Noch unklarer wird die Situation dadurch, dass der Verfassungsschutz Bremen die Begriffe des wie oben strikt geregelten Verdachtsfalls mit dem Prüffall gleichsetzt und somit den Begriff inhaltlich bereits geprägt hat. Dort heißt es im Glossar:
„Verdachts-/Prüffälle
Hierunter werden Organisationen erfasst, die nicht eindeutig extremistisch sind, bei denen aber ‚tatsächliche Anhaltspunkte‘ für verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 BVerfSchG), so dass der Verfassungsschutz den entsprechenden Verdacht prüfen muss. Erhärtet sich der Verdacht, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen, so endet mit der Entscheidung darüber, dass der Personenzusammenschluss als Beobachtungsobjekt eingestuft wird, die Einstufung als Verdachtsfall.“
Für die Öffentlichkeit ist nicht zu erkennen, dass es sich beim Prüffall um eine mögliche neue Vorstufe zum Verdachtsfall handeln könnte, erst recht nicht, da Verfassungsschutzämter diesen Begriff nicht einheitlich behandeln oder eine Unterscheidung zu einem Verdachtsfall nicht eindeutig ist. Der öffentliche Schaden ist dem einer Verdachtsfallbeobachtung gleichzusetzen und könnte gerichtlich von der AfD geprüft werden.
Fazit und Handlungsoptionen
Die Altparteien packen eine Ihrer schärfsten Waffen gegen den eigenen Machtverlust aus – den instrumentalisierten Verfassungsschutz. Bezeichnend ist, dass heute niemand über die CDU/CSU/SPD-Bundesregierung spricht, die nach dem Fall Maaßen dringend einen Präsidenten gesucht hat, der die AfD und andere Patrioten ohne Skrupel und Achtung vor unserer Demokratie beobachten lässt.
Die AfD muss jetzt endlich in die Offensive gehen. Sie muss, wie oben beschrieben, alle rechtlichen Mittel ausnutzen, die Wahrung der Verhältnismäßigkeiten prüfen lassen, gegen die Beobachtung von JA und des Flügels klagen, die Verfassungsschutzgesetze in Bund und Ländern überprüfen lassen und – verdammt nochmal – zusammenstehen. Wir werden sie dabei unterstützen.