Nach schlechten Umfragewerten für seinen Geheimdienst versucht sich VS-Präsident Thomas Haldenwang in einem FAZ-Beitrag zu erklären – und liefert dabei ohne Scham einen Text ab, den seine Behörde als „Fake News“ einstufen würde. Mit viel Mühe, doch ohne Erfolg versucht er zu begründen, warum es der Meinungsfreiheit diene, wenn er und seine Mitarbeiter die Meinungsfreiheit einschränken.
Kein Rückhalt in der Gesellschaft
Wenn sich Geheimdienstchefs genötigt fühlen, ihre Arbeit öffentlich zu verteidigen, dann hat dies ganz sicher einen Grund. Im Fall Haldenwangs, dessen besagter Gastbeitrag den bezeichnenden Titel „Die Meinungsfreiheit ist kein Freibrief“ trägt, liegt das vor allem am rasanten Vertrauensverlust der Bürger in seinen Dienst. In einer aktuellen INSA-Umfrage gaben nämlich nur noch 31 Prozent der Deutschen an, dass sie einen politischen Missbrauch des Verfassungsschutzes (VS) für „unwahrscheinlich“ halten. Gefragt nach der Leistungsfähigkeit des VS, antworteten 42 Prozent der Deutschen mit folgender Einschätzung: Er leistet schlechte Arbeit.
Das Besondere: Die Anhänger bzw. Wähler aller (!) Bundestagsparteien glauben, dass der Verfassungsschutz von den Regierenden missbraucht wird. Nur die Anhänger der Grünen halten es zu 45 Prozent für „unwahrscheinlich“, dass der Inlandsgeheimdienst politisch missbraucht wird – immerhin 37 Prozent der Grünen-Anhänger halten einen politischen Missbrauch für „wahrscheinlich“.
Bereits seit Jahren sinkt der Rückhalt für den Dienst, der hauptsächlich die friedliche politische Opposition ins Visier nimmt. Bereits im Jahr 2020 gaben nur noch 51 Prozent aller Bundesbürger und nur 42 Prozent der Ostdeutschen an, dem Verfassungsschutz nicht zu vertrauen.
Lagebesprechung: Geht der Verfassungsschutz auf sein Ende zu?
Weniger Demokratie zum Schutz der Demokratie
Haldenwang versucht in seinem Beitrag zu erklären, warum auch nicht strafbares Verhalten „verfassungsschutzrechtlich von Belang“ sein kann. Denn eine „Delegitimierung staatlichen Handelns“ oder ein Attackieren der Menschenwürde reichen aus, um ins Visier der Dienste in Bund und Ländern zu geraten. Solch eine Attacke auf die Menschenwürde sehen Haldenwang und seine Kollegen unter anderem in der Überzeugung, dass es eine deutsche Identität abseits der Staatsbürgerschaft der Bundesrepublik gibt. Dass diese Position vom Grundgesetz gedeckt ist – wie ein Jurist hier bewiesen hat –, interessiert die angeblichen Verfassungsschützer nicht. Dabei stellt der VS-Präsident sich ganz bewusst über die deutschen Gerichte. Nicht die Strafbarkeit entscheidet über die „Verfassungsfeindlichkeit“, sondern er und seine Kollegen. Damit widerspricht er ganz bewusst den Werten des Grundgesetzes, wie Professor Dr. Rupert Scholz (CDU), Verfassungsrechtler und Verteidigungsminister a. D., ebenfalls in der FAZ in seiner Wortmeldung „Zweifel am Demokratieverständnis“ feststellt. Dort heißt es:
„Jenseits des Strafrechts gibt es keine Einschränkung der Meinungsfreiheit, die im Artikel 5 unseres Grundgesetzes garantiert ist und zum Kernbereich der Verfassung gehört. Ein Verfassungsschutzpräsident, der sich anmaßt, solche Schranken über den Rahmen des Strafrechts hinaus, quasi via Beschlüsse, durch Beobachtung oder willkürliche öffentliche Kommentierung einzuführen, verletzt die Verfassung.“
Mittel zur Unterdrückung
Der Verfassungsschutz ist in seiner jetzigen Form einzigartig in den westlichen Demokratien. Er soll eigentlich echte (gewalttäige) Verfassungsfeinde beobachten und die Öffentlichkeit vor Gefahren warnen. Diesen Prozess haben Haldenwang und Co. in den letzten Jahren immer weiter und selbstständig ausgeweitet. Ihr wichtigstes Mittel: die öffentliche Denunziation. Denn neben „erwiesenen extremistischen Bestrebungen“ berichten die Geheimdienstler auch öffentlich über „Verdachtsfälle“ und auch „Prüffälle“, die vielleicht einmal „Verdachtsfälle“ werden könnten.
All das ist nicht vom Grundgesetz gedeckt, geduldet wird es von Innenministerium und Bundesregierung dennoch, um die politische Opposition kleinzuhalten. Interessanterweise versucht Haldenwang den Vorwurf der politischen Instrumentalisierung nicht zu entkräften.
Dies ist auch unmöglich, denn bereits vor Jahren wurde unter anderem am Beispiel der Jungen Alternative bewiesen, dass Verfassungsschutzbeobachtungen von Parteifunktionären angeordnet werden können.
Der Verfassungsschutz ist zu dem geworden, was er angeblich bekämpft, nämlich einer Gefahr für die Demokratie. Durch seine willkürliche Arbeitsweise und Einstufungspraxis ist für die Bürger derzeit unklar, welche Meinungsäußerungen zu einer Beobachtung führen. Also schränkt man sich lieber ein und verzichtet auf seine Grundrechte.
Erfreulich ist jedoch, dass die Deutschen im ganzen Land registrieren, wie die Dienste arbeiten. Der enorme Vertrauensverlust hilft der politischen Opposition und schadet den Regierenden. Diesen Trend gilt es durch Aufklärung und Gegenmaßnahmen zu verstärken.
Denn ein Inlandsgeheimdienst, dessen Meinung niemand mehr fürchtet oder vertraut, hat keine Macht. Und daran arbeiten wir.