Wählen wie in einem Dritte-Welt-Land

Gestern erfolgte die Wahlbeobachtung der Landtagswahlen in Bayern und Hessen. Der Andrang und der Beratungsbedarf waren größer als von uns zunächst erwartet. Paradoxerweise müssen ausgerechnet wir den Bürgern an Wahltagen erklären, was heute im Wahlrecht alles möglich ist und warum nicht einmal minimale Sicherheitsstandards eingehalten werden. Zudem haben wir erstmals die AfD-Wahlbeobachter-App getestet – und sehen sie bisher als (leider) überflüssige Spielerei.

Das Wahlrecht ist ein schlechter Witz

Wackelige Pappurnen, Wahlgang ohne Identitätsfeststellung, keine Versiegelung der Urnen, komplett offene Wahlurnen, Orte der Briefwahlauszählung, die wie ein Staatsgeheimnis behandelt werden, Wahlleiter, die die Orte von Wahllokalen nicht herausrücken wollen, keine öffentliche Verkündung von Wahlergebnissen, Wahlbeobachter, die grundlos bedrängt werden, und die immer gleichen Fehler – unser Wahlsystem ist extrem anfällig für Betrug und Fehler geworden. Jeder, der sich nur etwas mit diesem Wahlrecht beschäftigt, ist entsetzt und verliert das Vertrauen. Ähnlich geht es vielen Wählern. Das schadet dem Ansehen der Wahlen und der Demokratie. Oberursel lässt grüßen!

Das muss sofort an unserem Wahlrecht verbessert werden – zum Beitrag.


Gestern haben wir wieder auf vier Telefonleitungen, in den sozialen Medien, per Messenger und per E-Mail jene Bürger beraten, die Hilfe brauchten.

Es ist mittlerweile ein eingespielter Prozess: Wir helfen direkt, verweisen an Wahlleiter oder kontaktieren diese selbst, wenn es Probleme gibt. Wir zeigen den ehrenamtlichen Wahlbeobachtern vor Ort die Optionen auf, und erklären den Verantwortlichen, dass es im Zweifel einen Polizeieinsatz gibt, über den wir öffentlich berichten. Und genau das wirkt. Kleine wie große Fehler wurden durch den Einsatz der Wahlbeobachter abgestellt.

Im Main-Kinzig-Kreis wurde eine Wahlurne mit offenem Schloss nach der Intervention verschlossen, obwohl seitens der Wahlleitung erst einmal ins Wahlgesetz geschaut werden musste, ob ein Verschließen überhaupt nötig ist … Die überall aus dem Boden schießenden Pappurnen wurden zumindest in manchen Wahllokalen noch versiegelt – was in der Praxis nur noch mehr Klebeband bedeutet hat.


Offene Wahlurne im Main-Kinzig-Kreis.

Immer wieder gab es Streit um angeblich ungültige Stimmen. Hier sind die Wahlbeobachter besonders wichtig, weil sie Protest einlegen können. Dann werden nämlich andere Wahlhelfer hinzugezogen, die Stimmen noch einmal begutachtet und der Vorgang protokolliert. Am Ende sieht man bei der Verkündung der Ergebnisse, ob die Stimmen nun gezählt wurden oder nicht.

Seit gestern Nachmittag arbeiten wir die Meldungen ab, haken bei den Wahlbeobachtern nach, informieren die Wahlleiter und schauen, was wir noch richten können.

Allgemein, so die Rückmeldungen der Wahlbeobachter, ist es gut, dass sich mehr Menschen zur Wahlbeobachtung begeben. Oft merken die Beobachter, wie sich die Stimmung mit ihrem Erscheinen schlagartig ändert – und professioneller wird.


Wahlurne in Hof.

Mehr Andrang und viele neue Kontakte

Die letzten Wochen haben gezeigt, dass die hohen Umfragewerte der AfD, die Kampagne gegen die Freien Wähler in Bayern und die zunehmend verschärfte Lage im Land in Hinblick auf Migration, Wirtschaft, Sicherheit und Wohlstandvernichtung immer mehr Bürger zu interessierten Wählern und kritischen Wahlbeobachtern macht.

Einige sind auch erst gestern auf uns gestoßen und haben sich teilweise intensiv mit unseren Materialien beschäftigt. Wir haben zudem viele konstruktive Rückmeldungen erhalten und werden daher selbst einige eingefahrene Abläufe verbessern und überarbeiten. Danke dafür.

Die AfD-App: nett, aber (fast) nutzlos

Am gestrigen Wahltag haben wir erstmals die AfD-Wahlbeobachtungs-App im Einsatz getestet. Die Funktionen sind – sagen wir mal – ausbaufähig. Bisher taugt die App nur für eine Übermittlung der Wahlergebnisse, sie hat also die gleiche Funktion wie diese Netzseite der AfD.

Was fehlt, ist eine Möglichkeit, falsche Ergebnisse oder Übertragungsfehler zu verhindern. Denn sonst könnte ein absichtlich oder unabsichtlich falsch eingetragenes Ergebnis die Arbeit aller anderen zunichtemachen.

Die App „Wahlmission“ aus dem Jahr 2017 hatte dafür eine Lösung gefunden. Sie bot die Möglichkeit, die Protokolle der Niederschrift aus dem Wahllokal hochzuladen. Die Wahlbeobachter und ihre Anwälte haben bei der damaligen Bundestagswahl alle Wahlleiter darüber informiert, dass das „Urteil des VG Düsseldorf (Urteil vom 19.11.2002 – 3 K 4502/02)“ gültig ist und die Möglichkeit zur Dokumentation des Protokolls ermöglicht.

Leider ist das Projekt damals mangels Breitenwirkung eingeschlafen. Umso wichtiger, dass eine personal- und finanzstarke sowie öffentlichkeitswirksame Organisation wie die AfD diese App-Idee wieder aufgreift. Gut gedacht ist jedoch nicht immer gut gemacht.

Was der App fast komplett fehlt, ist eine konkrete Hilfe für Wahlbeobachter im Wahllokal. Bisher gibt es nur sehr wenige allgemeine Hinweise. Aber die Möglichkeit, viele Informationen zum Wahlablauf und zu möglichen Problemen in der Tasche zu haben, wird hier komplett verschenkt.

Was zudem überhaupt nicht berücksichtigt wurde, sind echte Hilfestellungen am Wahltag. Während wir für jede Wahl mehrere Telefonleitungen freischalten und Berater zur Verfügung stellen, gibt es seitens der AfD-App oder der Partei keinerlei Hilfen. Trotz des großen Parteiapparates, der aufgebaut wurde, lässt man Mitglieder und Unterstützer allein.

Doch wozu eigentlich diese App und diese „Kampagne“? Vor dem Hintergrund, dass wir von „Ein Prozent“ seit über sieben Jahren die Wahlen in diesem Land effektiv beobachten, ist es sicher nicht die Aufgabe einer Partei, sich auch noch um die Sicherheit der Wahlen im Land zu kümmern. Es sind schlichtweg verschwendete Ressourcen. Warum nicht auf bestehende Angebote verweisen, um die eigenen Aktivisten und Wahlkämpfer zu entlasten?

Vielleicht wären mit einer effektiven Wahlbeobachtung, auch durch die AfD, manche knappen Personenwahlen in der letzten Zeit anders ausgegangen.

Wir hoffen, einige Punkte dieser konstruktiven Kritik werden aufgegriffen. Es würde uns und allen Wahlbeobachtern helfen.



Für uns heißt es jetzt: auswerten und Vorbereitungen treffen für die nächsten Großeinsätze. 

Der 9. Juni 2024 wird mit der Europawahl und den Kommunalwahlen in neun Bundesländern eine neue, enorme Herausforderung und ist nur ein Zwischenschritt zu den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im kommenden September.

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