Schön ist sie nicht wirklich, die Industriestadt am Rande des Erzgebirges. Chemnitz ist die drittgrößte Stadt Sachsens, aber über repräsentative Bauten wie die Frauenkirche, den Zwinger oder die Thomaskirche verfügt sie nicht. Und doch ist Chemnitz mit einem Gebäude weit voraus. Denn etwas außerhalb, nicht weit vom örtlichen Ikea-Großmarkt und einer Autobahnauffahrt entfernt, steht es: das Zentrum.
Anfang November eingeweiht
Warum ausgerechnet in Chemnitz jetzt wieder ein von jungen Aktivisten betriebenes, rechtes Zentrum entsteht, hat viel mit dem Aufstieg und Fall (und dem Neuanfang?) der Identitären Bewegung zu tun. Denn so gerne wir – das heißt: patriotische Akteure, ob AfD, ob „Ein Prozent“, ob rechter „Influencer“ – Erfolgsmeldungen ins Netz blasen, so vorsichtig sind wir mit schlechten Nachrichten geworden. Zu gefährlich sei das Eingestehen von Niederlagen für die Motivation der eigenen Leute, vielleicht gefährde man sogar den seidenen Faden, mit dem man vom guten Willen der Spender und Förderer abhängig ist, wenn man nun zugäbe, dass das alles gar nicht so gut liefe. Also, um es kurz zu machen: Es gab bereits ein patriotisches Zentrum, in Halle/Saale, und dieses Projekt war am Ende nicht von Erfolg gekrönt; nein, es ist gescheitert.
Ein Rückschlag, zweifelsohne. Das hat Geld gekostet, Nerven, Zeit und Motivation von Aktivisten, die nun teilweise nicht mehr in unseren Reihen stehen. Das ist passiert und das muss man eingestehen können. In Chemnitz aber macht sich eine neue, junge Generation auf. Sie täte gut daran, aus den Fehlern von Halle zu lernen. Denn wenn auch sonst in Halle nichts geblieben ist, so kann man diese (schlechten) Erfahrungen noch auswerten.
Ein Zentrum ist keine Selbstverständlichkeit
Ein patriotisches Zentrum kann vieles sein: Ein Raum für Aktionsvorbereitungen, zum Arbeiten, für Feiern, als Übernachtungsgelegenheit, als Treffpunkt. Eines sollte es aber nicht: auf die leichte Schulter genommen werden. Miete ist nicht das Einzige, was man regelmäßig hier hinein investieren muss, sondern sehr viel mehr Liebe und Aufopferungsbereitschaft. Gäste wollen bewirtet werden, damit nicht der Eindruck entsteht, man sei unwillkommen. Türen und Fenster müssen bewacht werden. Auch um halb vier Uhr nachts muss es einen Verantwortlichen geben. Rund um die Uhr braucht es Leben in einem solchen Zentrum, um das herum es anfangen soll zu wachsen und zu blühen.
Jede Tätigkeit im Haus sollte daher nicht als Selbstzweck verstanden werden, also das Bannermalen nicht um des Banners wegen, das Unterbringen von Gästen nicht als kostenloser Hotelservice, sondern in einem Verhältnis stehen wie der Gärtner zu seinen Pflanzen. Er gießt Wasser in die Töpfchen – und wer weiß, was sich alles aus den Tiefen der Erde an die Oberfläche kämpft. Oder anders: Die Liebe, den Ehrgeiz und die Arbeit, die man in ein solches Zentrum und die Tätigkeiten drumherum steckt, sollen alle inspirieren, die – zufällig oder nicht – dort vorbeikommen. „Da ist Leben in der Bude“ – das wollen wir hören.
Wo gehobelt wird…
Man mag sich vielleicht wundern, wieso wir ausgerechnet jetzt so besinnliche Töne anschlagen. Es liegt nicht nur an der Weihnachtszeit. Durchhalteparolen, große historische Vergleiche und „Wir sind sowas von zurück!“-Sprüche brauchen die Aktivisten in Chemnitz jetzt nicht. Alles, was sie brauchen, tragen sie jetzt schon in sich, und sie müssen dieses Potential nur aktivieren. Geld ist gut, Herzblut ist besser. Ein Zentrum benötigt nicht unbedingt die schönsten Fließen im Bad. Wo gehobelt wird, da fallen Späne und so soll es in einem Zentrum auch aussehen: Türkanten sind beschädigt, weil wieder einer mit einer Leiter dagegen gestoßen ist. Die Bar klebt vom verschütteten Bier. Platz für Schlafsäcke muss erst geschaffen werden, weil Banner und ausgedruckte Flyer auf dem Boden zwischengelagert werden. Aber es ist immer jemand da, der noch ein Bier mittrinkt. Oder spontan eine Parteizentrale besetzen will.
Ohne Durchhaltvermögen geht es nicht
Es ist schwer zu beschreiben, was es braucht, damit „der Laden läuft“ – alles fühlt sich dann rund an, greift Hand in Hand. In Cottbus, in der Mühlenstraße, hat man zuweilen das Gefühl, dass alles zusammenkommt: Wenn sich hochrangige AfD-Landespolitiker mit den Chefs der örtlichen Bürgerinitiative treffen, wo junge Wilde von der lokalen Fußballtruppe sich die Kriegsgeschichten des stadtbekannten Unternehmers anhören, der Gott und die Welt kennt und der für Patrioten auch mal einen Sonderpreis macht. Auswärtige Gäste, viel Lokalesprit, Durchhaltevermögen über Jahre hinweg, klare Haltung, wo jeder steht, keine Abgrenzung. Viel Produktivität, wenig Krach.
Ja, an manchen dieser Punkte hat es in Halle gehapert. Vieles waren eigene Fehler, vieles unverschuldet. Aber dieses Kapitel ist nun geschlossen. In Chemnitz schlägt man nun ein neues auf. Wir von „Ein Prozent“ wünschen den Aktivisten dafür nur das Beste. Und unsere Tür steht immer offen: Für Rat, mit praktischer Hilfe, vielleicht mit einer Finanzspritze zur rechten Zeit. Aber der Rest muss schon aus Chemnitz selbst kommen. Und irgendwie ist das auch eine gute Nachricht, dass alles aus einem selbst kommen muss, dass alles schon da ist. Wir glauben jedenfalls daran.