Über die Vorkommnisse auf der Frankfurter Buchmesse ist in den vergangenen Tagen viel geschrieben worden. Anstatt also den x-ten Bericht zu liefern, wird sich dieser Artikel vor allem mit der entlarvenden Berichterstattung, insbesondere des Freitags und des Samstags, befassen. Wer sich mit einer angemessenen Sicht der verschiedenen anderen Vorkomnisse vertraut machen möchte, wird hier, hier und hier fündig.
Stadratsabgeordneter wird unter „Sieg Heil“-Rufen niedergeschlagen…
… oder auch nicht. Was sich am späten Samstagnachmittag in Halle 4.2 abspielte, ist eigentlich schnell berichtet: Nico Wehnemann, Stadtverordneter des Satireprojektes „Die Partei“ in Frankfurt, stört gemeinsam mit anderen Linksextremen eine Lesung des Verlags Antaios. Als sich das Publikum mit dem Verlag solidarisiert, treten die Störer, begleitet vom messeeigenen Sicherheitsdienst und der Polizei, den Rückzug an. Dabei versucht Wehnemann plötzlich loszustürmen, um anscheinend die Festnahme eines 34-jährigen Parteikollegen zu verhindern. Ein Sicherheitsmann der Messe bringt ihn daraufhin kurzzeitig zu Boden. So weit, so belanglos. Umso interessanter jedoch der Umgang Wehnemanns und der Presse mit dieser Situation:
„Ein Nazi auf mir drauf. Privater Sicherheitsdienst streckt mich nieder. Polizei schau zu“ (Fehler im Original).
Wenig später stimmt Leo Fischer, ebenfalls Mitglied der Partei, ein:
„Ein Frankfurter Stadtverordneter, Nico Wehnemann, wurde heute auf der Buchmesse zusammengeschlagen, weil er gegen die von der Messe geduldeten Nazis protestiert hat. Die Frankfurter Polizei stand daneben und schritt nicht ein. Dann hat sie Nicos Personalien aufgenommen, nicht jedoch die des Nazis, und Nico einen Platzverweis erteilt. Während Dutzende Identitäre "Sieg Heil" schreien. Nico begibt sich gerade in medizinische Behandlung. Messeleitung und Polizei werden von den Faschisten vorgeführt. Eine armselige, eine beschämende Veranstaltung.“
Spätestens als Jan Böhmermann Fischers Nachricht kopiert und auf seinem Twitter-Account veröffentlicht, beginnt auch die Presse sich für den Vorfall zu interessieren. „Rechte schlagen Politiker bei Buchmesse zusammen“, titelt beispielsweise das Göttinger Tageblatt.
Die Behauptung, dass es sich beim Berufssatiriker Wehnemann um einen Politiker handele, mag man stehenlassen. Das Video, aus welchem das Standbild stammte, das Wehnemann mit seinem obenstehenden Lamento versehen hatte, zeigt jedoch eine ganz andere Wahrheit: zum Video.
Das fiel auch dem selbstbezeichneten „Freien Journalisten und Soziologen“ Jonas Fedders auf, der Wehnemann das Material zur Verfügung gestellt hatte:
„Lieber @nico_wehnemann, als ich dir das Foto zur Verfügung gestellt habe, habe ich dir explizit dazu gesagt, dass der Mann auf dir meiner Beobachtung zufolge ein Zivilpolizist ist - kein Nazi. Warum verbreitest du Fake News? #fbm17“, schrieb er auf Twitter.
Da war offensichtlich jemand so viele Schritte zu weit gegangen, dass es selbst den eigenen Kollegen eine Spur zu haarig wurde. Weniger zimperlich war man dagegen bei den kolportierten „Sieg Heil“-Rufen, für die es bis jetzt keinen einzigen Beweis gibt. Die Mär geistert immer noch durch verschiedene Artikel und News-Meldungen.
Die Rückkehr des Skinhead-Nazis
Wer Glück hatte, konnte übrigens die bereits erwähnten Fake-News-Schlagzeilen von der rechten Gewalteskalation in Kombination mit diesem besonders aussagekräftigen Bild sehen:
Manch einem Leser wird es kalt den Rücken hinuntergelaufen sein, liegt das Klischee des Skinhead-Nazis doch inzwischen auch wieder zwanzig Jahre zurück. Allerdings ist es – und das hat man ironischerweise nicht zuletzt den Bemühungen von Heiko Maas und Anetta Kahane zu verdanken – inzwischen um ein vielfaches schwieriger geworden, die eigenen Leser mit einer geschickten Bild-Text-Komposition hinters Licht zu führen.
Beim abgebildeten Glatzkopf handelt es sich nämlich keinesfalls um einen der regulären Lesungsbesucher oder gar einen Rechten, sondern vielmehr um einen linken Gegendemonstranten, der scheinbar gerade zum Übergriff ansetzt: zur Grafik.
Der charmante junge Mann ist offensichtlich in seiner Freizeit nicht nur bei der gewalttätigen Frankfurter Antifa unterwegs, er ist auch ein „Partei-“freund des vorher erwähnten Nico Wehnemann. Und siehe da: Wer sich das Video des skandalösen Übergriffs auf den Stadtverordneten noch einmal zu Gemüte führt, der wird sehen, wie der sympathische Skinhead am Anfang der Aufnahme friedlich, aber bestimmt von der Polizei der Veranstaltung verwiesen wird. Ob es sich bei ihm um den 34-jährigen Parteikollegen handelt? Das kann nur gemutmaßt werden.
Linke und Medien Hand in Hand
Am Ende bleibt festzuhalten, dass es in der deutschen Medienlandschaft nach wie vor einen ungesunden Hang dazu gibt, linke bis linksextreme Narrative unkritisch zu übernehmen und zu reproduzieren. Das kann von einem zwangsgebührenfinanzierten Jan Böhmermann bis hin zu einer kleinen Lokalzeitung gehen, der Ablauf ist immer derselbe:
Linke Publizisten nutzen die sozialen Medien, um unbewiesene Behauptungen ins Netz zu stellen, öffentliche und private Medienanstalten bedienen sich an dem Material und veröffentlichen es anschließend auf ihren Kanälen. Nachdem zunehmend Zweifel an der anfänglich postulierten Faktenlage aufkommen, wird korrigiert, gestrichen, dementiert und zurückgerudert – all das bekommt aber nur einen Bruchteil der Aufmerksamkeit, die der ursprünglichen Märchen-Schlagzeile widerfahren ist.