Die Ermittler haben offenbar eine heiße Spur im Fall Paul Rzehaczek – und somit auch im Verfahren gegen Lina Engel und die „Hammerbande“. Der damalige Vorsitzende der Jungen Nationalisten war im März 2021 von Linksextremisten brutal misshandelt worden. Jetzt hat die Polizei zwei Verdächtige identifiziert. Mittwoch nahm das SEK einen Mann fest. Ein weiterer ist untergetaucht – mit Verbindungen zu einer Terrorgruppe in Syrien. Eine Recherche.
Der Überfall
Es ist 5:25 Uhr, als vermummte Männer in SEK-Montur an die Wohnungstür von Paul Rzehaczek donnern. „Aufmachen, Polizei!“, hört er sie rufen. Der 30-jährige Familienvater lebt in einem beschaulichen Mehrfamilienhaus in Eilenburg im Norden Sachsens. Als Vorsitzender der NPD-Jugendorganisation denkt er sofort an eine Hausdurchsuchung – und lässt die Fremden herein. Ein fataler Fehler.
Denn unter den Sturmhauben und Polizei-Westen stecken keine Beamten, sondern militante Linksextremisten. Ihre Knie drücken Rzehaczek auf den Boden des Badezimmers, seine Arme fixieren sie wie bei einer Verhaftung. Dann schlagen die Täter zu: Wieder und wieder prügeln sie mit Hämmern auf die Fußgelenke des jungen Mannes ein, der gerade eine Ausbildung zum Fahrlehrer absolviert. Bevor sie fliehen, besprühen sie Rzehaczek mit Pfefferspray und übergießen ihn mit Chlor, um Spuren zu vernichten. Diese Qualität linksextremer Gewalt hat es lange nicht gegeben.
Schnell kommt der Verdacht auf, dass hinter der Tat das Netzwerk der inhaftierten Linksextremistin Lina Engel steckt, deren Prozess dieser Tage im Hochsicherheitssaal des Oberlandesgerichtes Dresden zu Ende geht. Schließlich hat Rzehaczek noch am Abend vor dem Überfall eine dunkle Gestalt wahrgenommen, die ihn beim Nachhausekommen beobachtete. Er will den bulligen Mann erkannt haben: Johann Guntermann, Verlobter von Engel und Drahtzieher der „Hammerbande“, wie der Kronzeuge im sogenannten Antifa-Ost-Verfahren bestätigte. Der linksextreme Gefährder ist seit 2020 auf der Flucht, mehrere Haftbefehle sind auf ihn ausgestellt. Zuletzt wurde er im Februar dieses Jahres bei den brutalen Attacken auf Teilnehmer einer Gedenkveranstaltung in Budapest gesichtet.
Rzehaczeks Verdacht scheint sich nun zu bestätigen. Wie die Welt berichtete, fand die Polizei in der Eilenburger Wohnung des Opfers „Beweismittel“. „Ein Prozent“ erfuhr, dass die Täter einen als Taschenlampe getarnten Elektroschocker zurückließen, an dem sich DNA-Rückstände befanden. Nun ist es den Ermittlern offenbar endlich gelungen, die Waffe zurückzuverfolgen. Die Spur führt nach Thüringen.
Mittwoch schlugen Zielfahnder des SEK in der Nähe von Weimar zu und zogen den 24-jährigen Dominik K. aus dem Transporter seines Arbeitgebers. Auch dessen Jenaer Elternhaus soll durchsucht worden sein. Doch wie es scheint, ist der Ermittlungserfolg nur von kurzer Dauer: Noch am Montag setzte die Generalstaatsanwaltschaft Dresden einen bereits ausgestellten Haftbefehl außer Vollzug – Dominik K. ist wieder frei. Angesichts der Tatsache, dass bei militanten Linksextremisten dieses Kalibers definitiv Flucht- und Wiederholungsgefahr besteht, ein unglaublicher Skandal.
Das Terrornetzwerk
Denn die Bundesstaatsanwaltschaft hat die Anklage gegen das Netzwerk von Lina Engel um fünf Personen erweitert, von denen bereits mehrere untergetaucht sind, um sich der Verhaftung zu entziehen. Insgesamt geht der Generalbundesanwalt derzeit von 15 Mitgliedern der Gruppe aus, die in Wahrheit noch größer sein dürfte. Dominik K. tauchte bisher (vermutlich aus ermittlungstaktischen Gründen) nicht unter den neuen Namen auf.
Es ist ein weiterer der neu hinzugekommenen Beschuldigten, der die „Hammerbande“ direkt mit dem Fall des gefolterten JN-Vorsitzenden verbindet. Laut Welt führte eine Tatort-Spur zu einem Mann namens Thomas J., bekannter linksextremer Straftäter. Die Rechercheplattform „Dokumentation Linksextremismus“ hat den Schläger identifiziert: Es handelt sich um den Berliner Thomas Jacobs, Jahrgang 1976, 1,94 Meter groß, Kampfsportler. Er soll sein Geld als Türsteher im Techno-Club Cassiopeia auf dem Friedrichshainer RAW-Gelände verdient haben.
Hier fügt sich das Puzzle mit den Aussagen des Kronzeugen, über die „Ein Prozent“ bereits berichtete, zu einem Gesamtbild. Johannes D., ein ehemaliges Mitglied der Gruppe, hatte im Prozess von Gewalt-Trainings in Leipzig berichtet, mit denen sich die „Hammerbande“ systematisch auf ihre Überfälle vorbereitete. Das erste größere „Training“ mit etwa 25 Teilnehmern habe (vermutlich 2017 oder 2018) auf Einladung von Johann Guntermann im späteren Black Triangle, einer seinerzeit besetzten Bahnanlage im Süden Leipzigs, stattgefunden. Später habe man sich in der Gießerstraße 16 und mindestens einmal unter bundesweiter Beteiligung in einer Kunstrasen-Halle neben dem Alfred-Kunze-Sportpark (beides ebenfalls in der Messestadt) getroffen. Dabei sollen nicht nur die Erfahrungen echter Gewalttaten mit eingeflossen sein. Auch der Einsatz von Waffen sei fester Bestandteil gewesen. Angeleitet wurde das alles von Linksextremisten aus der deutschen Hauptstadt.
Einer der Trainer: ein Türsteher namens Thomas aus Berlin – Thomas Jacobs
Die Verbindung kam offenbar über die Berliner Gruppenmitglieder Philipp Jonathan Mohr und Tobias Edelhoff (derzeit inhaftiert in Budapest) zustande, die gemeinsam mit Jacobs Kampfsport praktizierten. Wie „Ein Prozent“ in Erfahrung bringen konnte, hat Jacobs eine lange Geschichte in der Berliner Autonomen-Szene. Bereits vor vielen Jahren soll er einem bekannten Rechten einen „Hausbesuch“ angedroht haben. Kurz darauf versuchten Linksextremisten gewaltsam in die Wohnung des Betroffenen einzudringen, aufgrund dessen besonnener Reaktion zunächst ohne Erfolg. Jahre später, im Mai 2019, gelang es dann in Abwesenheit: Antifas stießen die Tür zur Wohnung mit einem Feuerlöscher auf, zerstörten Mobiliar und Sanitäreinrichtungen und verspritzten Teerfarbe.
Exakt so war man bereits zuvor auch in Leipzig vorgegangen, wobei hier Johann Guntermann hinter der Tat stecken soll. Während seiner Haftzeit in einem sächsischen Gefängnis soll er sich vor Mitgefangenen mit dem Einbruch gerühmt haben. Später ging die „Hammerbande“ dann dazu über, nicht nur Wohnungen zu verwüsten, sondern die Bewohner selbst ins Visier zu nehmen. So geschehen im Fall Rzehaczek sowie kurz darauf in Erfurt: Hier brachen falsche Polizisten im Mai 2021 einem jungen Mann ein Bein und übergossen dessen hochschwangere Freundin mit Chlor.
Terrortraining in Syrien
Doch trotz dieses perversen Maßes der Menschenfeindlichkeit scheint der Radikalisierungsprozess der Gruppe kein Ende zu finden. Dem eingangs genannten Bericht der Welt zufolge hörte die Polizei Jacobs Handy ab – und fand heraus, dass er zwischenzeitlich nach Nordsyrien ausgereist war, um sich einer „ausländischen terroristischen Vereinigung“ anzuschließen. Offenbar eine Untergliederung der als Terrorgruppe verbotenen PKK, mit der viele Linksextremisten sympathisieren. Auch dieser Hinweis unterstreicht die Glaubwürdigkeit der Kronzeugen-Aussagen. Der Aussteiger hatte berichtet, „Thomas“ sei nach „Kurdistan“ gereist. Von dort habe er Trainings-Fotos in eine Signal-Chatgruppe geschickt, in der sowohl der Zeuge selbst als auch Lina Engel Mitglieder gewesen seien. Später habe man sich dann zu Besprechungen in einem kurdischen Restaurant in Berlin getroffen.
Wie die Polizei vermutet, reiste Jacobs allerdings nicht wegen der sportlichen Angebote oder kulinarischen Spezialitäten in die Kurdengebiete. Bei einer Hausdurchsuchung in Thüringen stießen die Ermittler auf ein mutmaßliches „Shooter-Buch“: Notizen von Einsätzen, die auf eine Tätigkeit als Scharfschütze in Syrien hinweisen sollen. Jacobs wurde zur Fahndung ausgeschrieben. Und tatsächlich geriet der gesuchte Linksextremist Anfang Mai in Brandenburg als Fahrer eines PKW in eine Polizeikontrolle. Als die Beamten bemerkten, um wen es sich handelte, soll er davongerast sein. Warum es den Polizisten nicht gelang, den 46-Jährigen zu fassen, ist bislang unklar. Seither gilt auch er als untergetaucht. Die „Hammerbande“ hat sich endgültig für ein Leben in der Illegalität entschieden. Wie ein deutsches Gericht vor diesem Hintergrund einen Haftbefehl aussetzen kann, bleibt schleierhaft. Immerhin gibt es gleich mehrere Beispiele, die Flucht- und Wiederholungsgefahr belegen.
Unterstützung der „Fördermittel-Linken“
Brisant ist aber auch die Frage, wer die Untergetauchten mit Unterschlupfen, gefälschten Dokumenten, Fahrzeugen, Geld und ähnlichem versorgt. Im Fall des Linksextremisten Thomas Jacobs gibt es bereits einen Hinweis: Der Wagen, mit dem er in die Polizeikontrolle geriet, war auf einen Fahrzeughalter aus Dresden zugelassen. Dieser soll – so die Welt – „mehrfach öffentlich als Berater für Betroffene rechter Gewalt in Sachsen in Erscheinung“ getreten sein. Sollte sich herausstellen, dass es sich hierbei um einen Mitarbeiter des von Bund und Land reichlich mit Steuergeldern ausgestatteten RAA Sachsen – die in Sachsen für diese Art der „Beratung“ zuständig sind – handelt, wäre das ein veritabler Skandal für die sogenannte Demokratieförderung.
Immerhin warnt inzwischen auch das BKA vor einem neuen Linksterrorismus. Das scheint angesichts des neuen Antifa-Untergrunds keinesfalls übertrieben zu sein. Schließlich begann der blutige Weg der RAF mit einem vergleichsweise harmlosen Kaufhausbrand – seinen Höhepunkt fand er in den Morden an Buback, Ponto und Schleyer im „deutschen Herbst“ 1977. Es bleibt abzuwarten, wie die Szene auf die Urteilsverkündung gegen Lina Engel reagiert, mit der am 31. Mai gerechnet wird. Auf linksextremen Internetseiten kursiert die Drohung, man wolle eine Million Euro Sachschaden für jedes verhängte Jahr Haft anrichten. Schon jetzt stehen der vorsitzende Richter und die Oberstaatsanwältin unter Polizeischutz.
Patriotischen Akteuren sei zu besonderer Wachsamkeit geraten.