Am Wochenende kam es in der ungarischen Hauptstadt Budapest zu einer brutalen Serie von Angriffen durch eine Gruppe internationaler „Antifaschisten“, darunter mehrere Deutsche. Die Hinweise, dass es eine Verbindung zu der sogenannten Hammerbande um die inhaftierte Linksextremistin Lina Engel gibt, mehren sich. Wir fassen für euch zusammen, was bisher bekannt ist.
Hinterhältige Angriffe
Die maskierten Täter schleichen sich von hinten an Zoltan T. heran, der auf dem Weg zur Arbeit nichts ahnend auf seinen Handybildschirm schaut. Der Verkäufer hat keine Chance gegen die Gruppe von acht Angreifern: Der erste Schwarzvermummte schlägt ihn mit einem Teleskopschlagstock nieder, dann prügeln mehrere Männer und Frauen immer wieder auf das am Boden liegende Opfer ein. Ältere Passanten, die Zoltan T. zur Hilfe kommen wollen, werden mit Pfefferspray auf Abstand gehalten. Schließlich entleeren die Täter ihre Reizgasflasche auf den blutüberströmten Mann, bevor sie flüchten. Der Überfall dauert nur 30 Sekunden – und kostet beinahe ein Menschenleben.
Die Tat, offenbar kommandoartig geplant, wurde aus mehreren Perspektiven von Überwachungskameras gefilmt. Schnell kam unter Szenekennern der Verdacht auf, dass deutsche Linksextremisten hinter der Attacke im ansonsten politisch eher beschaulichen Budapest stecken könnten. Schließlich erinnert die Vorgehensweise bis ins Detail an die Angriffe der Gruppierung um Lina Engel, der derzeit in Dresden der Prozess wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gemacht wird.
Die Handschrift der „Hammerbande“ in Ungarn
Trotz Engels Verhaftung sind die meisten Mitglieder der „Hammerbande“ noch immer auf freiem Fuß. So auch ihr mutmaßlicher Anführer: Seit Jahren ist Engels Freund Johann Guntermann, laut Bild-Zeitung der „meistgesuchte Linksextremist Deutschlands“, auf der Flucht vor der Polizei. Und noch immer schlagen Antifa-Kommandos zu, deren Taten seine Handschrift tragen. Zuletzt am 12. Januar in Erfurt, wo zwei Mitglieder einer rechten Kleinstpartei mit Axt, Hammer und Schlagstock lebensgefährlich verletzt wurden. Ein Opfer erlitt einen Schädelbruch.
Nun haben deutsche Linksextremisten auch in Budapest zugeschlagen. Zoltan T. ist eines der ersten Opfer einer Serie von heimtückischen Attacken, die die ungarische Polizei derzeit beschäftigt. Der Hintergrund: Am Wochenende fand hier der „Tag der Ehre“ statt, an dem Nationalisten aus ganz Europa an den Ausbruchsversuch der deutschen Wehrmacht und ihrer Verbündeten aus dem Kessel der Roten Armee im Februar 1945 erinnern.
Lange blieb es um das Gedenken und den dazugehörigen Marsch mit historischen Reeanactment-Elementen samt Rahmenprogramm friedlich. In den vergangenen Jahren jedoch ist die Veranstaltung zunehmend in den Fokus sogenannter „Recherchegruppen“ aus der Bundesrepublik geraten. Und wie so oft haben diese als „Journalisten“ getarnten Linksextremisten die Ziele für ihre gewaltorientierten Genossen von der Straße markiert. Dieses Jahr riefen mehrere Antifa-Gruppen aus dem deutschsprachigen Raum dazu auf, nach Budapest zu fahren, so etwa die Berliner North East Antifascists (NEA) und die Plattform Radikale Linke.
Fünf Attacken, neun Opfer
Der erste Angriff ereignete sich am Donnerstag, den 9. Februar 2023. Eine Gruppe von drei Polen wurde an der Metro-Station Fővám tér in der Budapester Innenstadt von sieben bis acht Tätern mit Totschlägern attackiert und schwer misshandelt. Berichten zufolge sollen die Linksextremisten die Touristen fälschlicherweise für Teilnehmer des „Ausbruch60“-Marsches gehalten haben. Zwei der Geschädigten erlitten Knochenbrüche.
Am gleichen Abend wurde ein bekannter Rechter auf dem Weg zu einem Fußballspiel überfallen. Die Tat ging jedoch offenbar schief: Freunden des Opfers zufolge konnte der erfahrene Kampfsportler die Gruppe erfolgreich abwehren und soll daher nur durch Pfefferspray leicht verletzt worden sein. Der Vorfall wurde nicht der Polizei gemeldet, wir dokumentieren ihn hier exklusiv.
Ziel wird, wer Tarnhosen trägt
Am Freitag, den 10. Februar, folgte dann der Angriff auf Zoltan T. im Plattenbau-Viertel Gazdagrét. Wie auch die polnischen Touristen geriet er nur wegen seines Aussehens ins Visier der Linksextremisten: T. war mit einer Bomberjacke und Tarnhose bekleidet, was allerdings in weiten Teilen Osteuropas kein politisches Statement, sondern schlicht eine Modeerscheinung ist. Tatsächlich befand sich der Tabakwarenverkäufer auf dem Weg zur Arbeit.
Vor dem Angriff, so berichtete T. in lokalen Medien, sei er von einer jungen Frau auf ungarisch angesprochen worden, ob er zum „Tag der Ehre“ wolle, was er verneinte. Zoltan T. hat nach eigenen Angaben noch nie an der Veranstaltung teilgenommen, hatte sich aber gegenüber der Frau auch nicht negativ darüber geäußert. Dafür musste er im Krankenhaus mit mehr als 20 Stichen am Kopf genäht werden. Zu diesem Zeitpunkt wurde den Ermittlern klar, dass es sich um eine Anschlagsserie handeln musste. Umgehend wurde daher eine 24-köpfige Sonderkommission ins Leben gerufen, um die Verfolgung aufzunehmen – ein rasches und konsequentes Handeln, von dem deutsche Behörden im Umgang mit militanten Linksextremisten durchaus noch lernen könnten.
„Da war überall Blut“
Später am Abend wurde ein ungarisches Ehepaar überfallen. László D., ein bekannter ungarischer Rechtsrocker, und seine Partnerin waren auf dem Rückweg von einem Konzert, als eine größere Gruppe von Männern und Frauen mit Schlagwerkzeugen und Pfefferspray über sie herfiel. Offenbar waren sie bereits länger in öffentlichen Verkehrsmitteln verfolgt worden, ein Muster, das wir ebenfalls von der Gruppierung um Lina Engel kennen. Das männliche Opfer erlitt einen Schädelbruch. Der wehrlosen Frau soll am Boden liegend mehrfach mit einem Messer in den Oberschenkel gestochen worden sein.
„Sie haben uns beide getreten, als wir schon auf dem Boden lagen. Da war überall Blut“, sagte sie einem lokalen Medium. In sozialen Netzwerken kursierte zwischenzeitlich das Gerücht, dass es sich bei den Tätern möglicherweise um griechische Antifas gehandelt haben könnte, die international für ihre besondere Brutalität bekannt sind und auch vor politischen Morden nicht zurückschrecken.
Ähnliches widerfuhr einem deutschen Pärchen in der gleichen Nacht im Burgbezirk am westlichen Donauufer. Die Linksextremisten verfolgten die beiden offenbar bis zur Tür ihrer Ferienwohnung, wo sie hinterrücks attackiert wurden. „Wir waren auf einem Konzert und sind mit der Straßenbahn zu unserem Appartement gefahren. Von dort mussten wir noch ein paar hundert Meter laufen. Dort müssen sie uns schon gefolgt sein“, berichtete die junge Frau exklusiv gegenüber „Ein Prozent“. Die fünf oder sechs Angreifer hätten sehr professionell gewirkt. Und auch hier berichten die Opfer von Parallelen zum Fall Lina Engel: „Es war mindestens eine Frau dabei, die die Kommandos gegeben hat. Sie hat auf Englisch gesagt ‚Los!‘ und irgendwann ‚Stopp‘. Dann haben sie Pfefferspray gesprüht und sind abgehauen.“ Ihr Freund berichtete „Ein Prozent“, dass die Ärzte auf seinem Kopf die Spuren von 33 Schlägen mit einem Nothammer und Schlagstöcken festgestellt hätten. „Das war definitiv ein Mordversuch“, sagt er. Inzwischen sind die beiden sicher zurück in Deutschland.
Wie in den vorangegangenen Fällen glaubt die Polizei, dass die Täter ihre Opfer einzig aufgrund ihrer Bekleidung als Rechte „zuordneten“. Eine weitere der Attacke vorausgehende Ansprache – wie bei Zoltan T. – ist jedenfalls in keinem weiteren Fall bekannt.
Täter aus Deutschland, Italien und Ungarn
Doch anders als bei den ähnlichen Taten in Deutschland konnten die ungarischen Sicherheitsbehörden schnelle Erfolge vermelden und zumindest einen Teil der geschätzten 15 Täter dingfest machen, bei denen auch die entsprechenden Tatwaffen gefunden wurden. Darüber, wie viele Antifaschisten genau verhaftet wurden, herrscht bisher noch Unklarheit. Die Budapester Zeitung schreibt von vier Festnahmen, die Bild nennt hingegen die Namen von sechs Tätern. Dabei handelt es sich nach Informationen der Zeitung um Clara W. (22), Anna M. (25), Emilie D. (20), Moritz S. (20) und Tobias E. (29) aus Deutschland sowie Ilaria S. (38) aus Italien.
Polizeiangaben zufolge ist wiederrum neben den ausländischen Gewalt-Touristen auch eine junge Ungarin unter den Festgenommenen. Berichten in den sozialen Netzwerken zufolge outete die linke Plattform „444“ die Tatverdächtige versehentlich durch ein Foto von einer Antifa-Demonstration vom Wochenende, auf dem sie die gleiche Jogginghose wie während des Überfalls auf Zoltan T. trug. „444“ löschte das Foto zwar schnell, doch die Ermittler haben die überschaubare linke Szene Budapests offenbar sehr genau im Blick.
Während die mutmaßlichen Täter aus dem Ausland dem Autonomen-Codex folgend jede Kooperation verweigern, soll die Einheimische bereits eingeräumt haben, der linken Szene nahezustehen. Auch die festgenommenen Deutschen sind allesamt bekannte Linksextremisten. Sie stammen gebürtig aus Sachsen, Thüringen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen.
Die Spur führt nach Berlin
Es ist vor allem ein Name, der Szenekenner aufhorchen lässt: Tobias E. Bereits im Sommer 2019 war ein Tobias Edelhoff im Verfahren gegen Lina Engel ins Visier der Ermittler geraten, weil er in Eisenach die Kneipe „Bulls Eye“ ausgekundschaftet hatte. Wenige Wochen danach wurde diese überfallen, die Tat wird Lina Engel und ihren Mittätern zugerechnet. Polizisten hatten den heute 29-Jährigen Berliner damals gemeinsam mit einem anderen mehrfach vorbestraften Antifaschisten aus Leipzig in Sichtweite des späteren Tatorts festgestellt. Beide machten widersprüchliche Angaben darüber, warum sie dort waren. Als das „Bulls Eye“ im Dezember 2019 erneut angegriffen wird, ist Tobias Edelhoff wieder dabei. Die Angreifer fliehen in zwei Autos, liefern sich eine Verfolgungsjagd mit der Polizei auf der A4 in Richtung Frankfurt. Im Morgengrauen wird er schließlich in verschmutzter Kleidung auf der Bundesstraße 400 aufgegriffen.
Lina Engel, ebenfalls nach dem Überfall geschnappt, landet kurz darauf in Untersuchungshaft – doch der Berliner Edelhoff bleibt weiterhin auf freiem Fuß. Johannes Domhöver, ehemaliges Mitglied der Gruppierung und inzwischen Kronzeuge im sogenannten „Antifa-Ost-Verfahren“, zählt ihn zum engeren Kreis der „Hammerbande“. Nun wird in Budapest ausgerechnet ein „Tobias E“. verhaftet, der zufällig ebenso alt ist wie Tobias Edelhoff. Doch nicht nur das. Auch die Herkunftsangabe stimmt mit den Informationen der Bild überein: Der Linksextremist lebte zwar zuletzt in einer WG in Berlin-Neukölln, wurde aber im nordrhein-westfälischen Troisdorf (bei Bonn) geboren.
Ganz sicher ist den ungarischen Behörden also ein wichtiger Schlag gegen deutsche Antifas gelungen – und sogar der Beweis erbracht, dass Mitglieder der kriminellen Vereinigung um Lina Engel nach wie vor aktiv sind und immer weitere brutale Überfälle begehen.
Schuld daran tragen auch die deutschen Behörden, die außer Lina Engel kein einziges Mitglied der „Hammerbande“ in Untersuchungshaft nahmen, obwohl sie bereits mehrere identifiziert hatten und mit schweren Straftaten in Verbindung bringen konnten. Nur deshalb konnte Tobias Edelhoff in Budapest Menschen schwer verletzen. Womöglich gehört er längst zu einer Art zweiten Generation der Gruppe, wie es sie seinerzeit auch bei der RAF gab. In jedem Fall ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis es die ersten Todesopfer gibt. Ob für die Verdächtigen aus Budapest Untersuchungshaft angeordnet wird, soll am Dienstag ein Gericht entscheiden.