Seit 2016 beobachten wir Wahlen in Deutschland und haben dabei schon so einiges erlebt. Immer wieder treten Probleme und Fehler auf den Plan, mit denen sich Wahlhelfer und Wahlbeobachter konfrontiert sehen. In den meisten Fällen können unser Wahlbüro und der „Leitfaden für Wahlbeobachter“ weiterhelfen, dennoch müssen die Wahlbeobachter sich auf konkrete Regeln und Gesetze berufen können.
Daher analysieren wir hier das „Merkblatt für die Mitglieder des Wahlvorstandes – Wahl zum 21. Deutschen Bundestag“. Dieses 24-seitige Dokument ist jedem Wahlhelfer vorab bekannt und liegt dem Wahlvorstand am Wahltag vor. Alle notwendigen Quellen sind angegeben.
Kurz gesagt: Gibt es Probleme, verweist einfach auf ihre eigenen Regeln!
Der erste Ansprechpartner bei Problemen im Wahllokal ist immer der Wahlvorstand im Wahllokal. Falls dort keine Reaktion erfolgt, wendet euch an den zuständigen Kreiswahlleiter. Die Kreiswahlleiter für die Bundestagswahl 2025 findet ihr hier.
Sollte euch im Wahllokal und beim zuständigen Wahlleiter nicht weitergeholfen werden, dann sind wir für euch da. Videos, Podcasts, Material und Schulungen zum Thema gibt es auf www.wahlbeobachtung.de.
Öffentlichkeit und Zugang für Wahlbeobachter
Im Regelwerk heißt es eindeutig: „Die gesamte Tätigkeit des Wahlvorstandes, einschließlich der Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses, vollzieht sich öffentlich.“ (§ 54 BWO)
Und weiter: „Die Öffentlichkeit darf nie – auch nicht vorübergehend – ausgeschlossen werden.“
Konkret heißt es sogar: „Zwischen Schluss der Wahlhandlung und Beginn der Stimmauszählung darf keine Pause eingelegt werden.“ (§ 67 BWO)
Nur wer stört, darf des Wahllokals verwiesen werden. Hierbei müsst ihr keine willkürlichen Entscheidungen des Wahlvorstandes akzeptieren. Im Zweifel kommt die Polizei und entscheidet. Kommen keine Störungen mehr vor, könnt ihr definitiv bleiben.
Endergebnis und Fotos im Wahllokal
Derzeit ist es nicht erlaubt, Fotos der Wahlniederschrift – also des Endergebnisses – anzufertigen. Das Endergebnis muss nur – sehr rückständig und intransparent – mündlich verkündet werden. (§ 70 BWO)
Andere Fotos von Missständen und Verstößen im Wahllokal werden im Regelwerk explizit nur durch den Schutz des Persönlichkeitsrechts eingeschränkt. Das bedeutet: Verstoßt nicht gegen Datenschutz (z. B. kein Wählerverzeichnis ablichten) und Persönlichkeitsrecht, und ihr dürft Fehler und Verstöße dokumentieren.
Verstoß dokumentiert: Wahlbeobachter ausgesperrt
Wählen ohne Identitätsnachweis
In Deutschland ist es tatsächlich möglich, nur mit der Wahlbenachrichtigung wählen zu gehen. In den meisten Fällen wird nicht geprüft, ob man wirklich die Person auf dem Wahlschein oder ob man mit dem Wahlschein des Nachbarn losgezogen ist.
Im Regelwerk wird ausdrücklich erklärt, dass die Identitätsfeststellung durch Ausweiskontrolle nicht zwingend notwendig ist.
Ein unhaltbarer Zustand, der leicht behoben werden könnte, wenn man nur wollte.
Leere Wahlurne
Wahlurnen werden in Deutschland nicht mehr versiegelt. Sie werden nur verschlossen und der Wahlvorsteher im Wahllokal hat den Schlüssel – übrigens einer der vielen Gründe, warum wir unser Wahlsystem für einen Witz halten.
Aber vor Beginn der Wahl sollen sich alle im Wahlvorstand (= alle Wahlhelfer) überzeugen, dass die Urne leer und verschlossen ist. „Ab diesem Zeitpunkt bis zum Schluss der Wahlhandlung muss die Wahlurne geschlossen bleiben. Sie darf auch nicht aufgrund eines Beschlusses des Wahlvorstandes vorzeitig geöffnet werden.“
Bedeutet: Fallen euch fehlerhafte oder nicht verschlossene Urnen auf, meldet das unbedingt dem Wahlvorstand und dem Wahlleiter.
Ende der Wahlhandlung
Wer sich bis zum Ende des Wahlzeitraums, also 18 Uhr, beim Wahllokal einfindet, darf auch noch bei hohem Andrang oder Problemen im Wahllokal, nach 18 Uhr wählen. Wichtig ist, dass festgestellt wird, wer bis 18 Uhr da war. Niemand darf ausgesperrt werden!
Finden sich in der Wahlurne mehr abgegebene Stimmzettel als vermerkt, muss nochmal gezählt werden. Bleibt weiterhin eine Differenz, muss dies, soweit möglich, in der Wahlniederschrift erläutert werden.
Zählung der Stimmen / Vier-Augen-Prinzip
Die tatsächlich Auszählung weicht oft von dem geltenden Regelwerk und den Vorgaben nach § 69 Bundeswahlordnung ab. So ist es korrekt:
Nach der Zählung der Stimmzettel und dem Vergleich mit der Menge an aktiven Wählern im Wahllokal beginnt das eigentliche „Zählgeschäft“ in vier Arbeitsschritten:
1. Sortierung der Stimmzettel,
2. Prüfung und Zählung der in der Stimmabgabe übereinstimmenden Stimmzettel,
3. Prüfung und Zählung der in der Stimmabgabe nicht übereinstimmenden Stimmzettel (verschiedene Parteien gewählt),
4. Auswertung der ungültigen und unmarkierten Stimmzettel.
Ausgezählt werden muss im Vier-Augen-Prinzip. Auch eine Regel, die oft nicht eingehalten wird, um schneller fertig zu werden, obwohl sie in § 69 Absatz 4 BWO vorgeschrieben ist.
Dort heißt es:
„Danach zählen je zwei vom Wahlvorsteher bestimmte Beisitzer nacheinander die […] Stimmzettelstapel unter gegenseitiger Kontrolle durch und ermitteln die Zahl der für die einzelnen Wahlvorschläge abgegebenen gültigen Stimmen sowie die Zahl der ungültigen Stimmen.“
Seid ihr in einem Wahllokal, in dem nicht nach dem Vier-Augen-Prinzip ausgezählt wird, weist auf die Bundeswahlordnung (BWO) hin und sorgt für eine korrekte Auszählung!
Ungültige Stimmen / gemeinsame Entscheidungen
Über alle wichtigen Fragen entscheidet der Wahlvorstand gemeinsam als Kollegium durch Mehrheitsbeschluss – bei Gleichstand entscheidet die Stimme des Wahlvorstehers. Diese Beratungen und Entscheidungen müssen öffentlich erfolgen (§ 10 Abs. 1 BWG).
Dabei geht es bspw. um die Gültigkeit der Stimmen, die Zurückweisung von Wählern und Wahlscheinen und die Feststellung des Wahlergebnisses.
Konkret läuft die Prüfung angeblich ungültiger Stimmen so ab:
Die ungültigen Wahlzettel müssen nach § 69 Abs. 6 BWO einzeln ausgewertet und von allen Mitgliedern des Wahlvorstandes begutachtet werden – diese Herangehensweise ist leider eine Seltenheit. Nach der Begutachtung aller und der Abstimmung des ganzen Wahlvorstandes gibt der Wahlvorsteher die Entscheidung bekannt. Die Entscheidung wird auf der Rückseite des Stimmzettels notiert.
Wahlbeobachter dürfen sich nicht in den Prozess der Abstimmung über ungültige Stimmen einmischen!
Wählerwille / Gültigkeit der Stimmen
Ist der Wählerwille erkennbar, dann ist eine Stimme gültig. Es ist laut Regelwerk egal, ob der Wähler seine Stimme „durch ein auf dem Stimmzettel gesetztes Kreuz oder auf andere Weise eindeutig kenntlich macht“. „Jede Kennzeichnung des Stimmzettels ist zulässig, wenn sie den Willen des Wählers zweifelsfrei erkennen lässt, also eindeutig ist.“
Neuauszählung am Wahlabend
Wenn ein Mitglied des Wahlvorstandes vor der Unterschrift der Wahlniederschrift, also des Protokolls aus dem Wahllokal, eine Nachzählung beantragt, so ist bei Bedarf der komplette Zählvorgang von der ersten Sortierung der Stimmen komplett zu wiederholen.
Wahlhelfer weltanschaulich ausgeglichen zusammensetzen
Eine Regel, die es wahrscheinlich nur auf dem Papier gibt, die aber von Kommunalpolitikern und von Bürgern in Stadt- und Gemeinderäten thematisiert werden sollte, ist die Empfehlung, dass Wahlhelfer weltanschaulich ausgeglichen zusammenzusetzen sind.
Im Regelwerk heißt es dazu:
„Bei der Zusammensetzung des Wahlvorstandes sind die in der Gemeinde vertretenen Parteien nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Durch die Zusammenarbeit der den verschiedenen Parteien angehörenden und nahestehenden Mitglieder des Wahlvorstandes soll eine korrekte und unparteiische Abwicklung der Wahl gewährleistet werden.“
Überparteilichkeit
Immer wieder berichten Wahlbeobachter, wie sich Wahlhelfer, also Mitglieder des Wahlvorstandes, abfällig über Parteien äußern. Oft betrifft dies rechte Parteien. Solche Aussagen sind untersagt und müssen vom Wahlvorsteher, dem Leiter der Wahlhelfer, unterbunden werden. Passiert dies nicht, muss der Wahlleiter informiert werden.
Wahlhelfer müssen ihre Aufgabe unparteiisch wahrnehmen. (§ 10 Abs. 2 BWG) Während ihrer Tätigkeit dürfen sie keine auf politische Überzeugungen hinweisenden Abzeichen tragen. (§ 6 Abs. 3 BWO).
Eigene Stifte im Wahllokal
Viele Wähler bringen sich eigene Stifte mit, weil sie mit der Ausstattung vieler Wahllokale mit Bleistiften unzufrieden sind. Sie bevorzugen dokumentenechte Stifte. Dies ist ausdrücklich erlaubt.
Im Regelwerk heißt es: „Die Kennzeichnung kann mit dem Schreibstift der Wahlkabine, mit einem sonstigen Blei-, Farb-, Tintenstift oder Kugelschreiber vorgenommen werden.“
Recht umsetzen!
Wer bereits Wahlbeobachter war, weiß, dass viele vorgestellte Regeln wenig mit der hektischen Realität im Wahllokal zu tun haben. Doch zu wissen, wie ein Endergebnis verkündet werden muss und dass über ungültige Stimmen unter den Wahlhelfern abgestimmt wird und das auch dieses Ergebnis laut verkündet werden muss, hilft vielen Beobachtern.
Sollte es Probleme geben und man schließt euch aus, habt ihr das Recht, auf diese Regeln zu pochen und auf die hier verlinkten Gesetze oder das im Wahllokal vorhandene „Merkblatt für die Mitglieder des Wahlvorstandes – Wahl zum 21. Deutschen Bundestag“ zu verweisen.
Zudem zeigt sich, welche erweiterten Rechte ihr als Wahlhelfer habt. Wer also bei dieser Wahl noch kein Wahlhelfer ist, sollte es spätestens bei der nächsten werden.
Darum Wahlhelfer werden!
Die hier aufgeführten Punkte zeigen, wie wichtig es ist, Wahlhelfer zu werden. Denn diese haben konkrete Rechte und können direkt mitbestimmen.
Ein Wahlhelfer darf:
- Vor der Wahl überprüfen, ob die Wahlurne leer und wenigstens verschlossen ist und nicht geöffnet werden kann.
- Im Wahlvorstand über ungültige Stimmen und das Wahlergebnis mit abstimmen.
- Alle Stimmen komplett neu auszählen zu lassen!
- Den kompletten Wahlgang begleiten und kann so einen sicheren Ablauf sicherstellen!
- Sich ein kleines Erfrischungsgeld genehmigen.
Wahlbetrug verhindern – so geht es!
Kapitel:
Minute
1:50 – Warum wählen gehen?
6:26 – Warum ist Wahlbeobachtung notwendig?
20:45 – So wird betrogen!
28:00 – Stimmen werden am Wahltag gerettet!
32:07 – Die Grundregeln für Wahlbeobachter
40:35 – Briefwahl: Darum verlieren die Rechten
52:20 – So hilft „Ein Prozent“