Drei Wahleinsprüche – für ein besseres Wahlsystem

Die Bundestagswahl 2025 ist vorbei – aber für uns war am Wahltag nicht Schluss. Bis zum 23. April 2025 konnten Einsprüche gegen die Wahl eingereicht werden. Wir haben diese Frist genutzt und drei fundierte Wahleinsprüche an den Wahlprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages übermittelt.

Denn klar ist: Auch wenn Wahleinsprüche in der Vergangenheit selten mandatsrelevant waren – also keine Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Bundestages hatten –, erfüllen sie dennoch eine wichtige Funktion und sind ein weiteres Werkzeug unserer Wahlbeobachtung.

Wahlprüfung als Chance zur Weiterentwicklung

Der Deutsche Bundestag selbst betont:

„Die Zurückweisung von Einsprüchen bedeutet keinesfalls, dass Hinweise auf Wahlfehler wirkungslos verhallen.“

Der Wahlprüfungsausschuss kann auch dann tätig werden, wenn subjektive Wahlrechtsverletzungen oder organisatorische Schwächen festgestellt werden. Solche Fälle führen regelmäßig zu sogenannten Prüfbitten an die Bundesregierung – also konkreten Hinweisen zur Verbesserung des Wahlrechts.

Wahleinsprüche sind mehr als nur eine Beschwerde – sie sind demokratisches Korrektiv und Impulsgeber zugleich. Dabei setzen wir nicht allein darauf, dass der mit Bundestagsabgeordneten aller Parteien besetzte Ausschuss unsere berechtigten Hinweise umsetzt, sondern vor allem darauf, sie ins Parlament zu tragen, konkrete Antworten auf die festgestellten Fehler zu erhalten und so parlamentarische Initiativen anzustoßen.

Es ist ein Werkzeug, das jeder Bürger nutzen kann!

Unsere drei Wahleinsprüche im Überblick

1. Behinderung der Wahlbeobachtung (durch die Bundeswahlleiterin)

Aus dem ganzen Bundesgebiet wurden uns Fälle gemeldet, in denen Wahlbeobachter am Wahltag behindert oder ausgeschlossen wurden – ein Beispiel. Ein Grund für diese gesteigerten Probleme: eine neue Handreichung der Bundeswahlleiterin zum Umgang mit Wahlbeobachtern. Sie ist eine direkte Reaktion auf die deutlich gestiegene Mobilisierung zur Nutzung dieses Rechts in den vergangenen Jahren.

Das Brisante: Die Formulierungen verstoßen gegen zentrale Wahlgrundsätze – insbesondere den der Öffentlichkeit. Im Dokument finden sich mehrere fragwürdige Hinweise wie:

„Ein Anspruch auf Sichtbarkeit jeder Einzelheit besteht nicht.“

Diese Aussage widerspricht dem Öffentlichkeitsgrundsatz (§ 31 BWahlG) und macht Wahlbeobachtung faktisch unmöglich. In vielen Wahllokalen wurden Bürger ausgesperrt, hinter Absperrungen verbannt und vom Auszählungsprozess ausgeschlossen. Ermöglicht wurde das durch eine weitere Formulierung aus der besagten Handreichung:

„Fühlen sich Mitglieder des Wahlvorstandes durch eine zu starke Annäherung der Wahlbeobachtenden behindert oder gestört, dürfen sie einen Abstand von in der Regel 1 bis 2 Metern anordnen.“

Das bedeutete in der Praxis: Es bedurfte keiner tatsächlichen Störung mehr – wie es das Gesetz verlangt –, sondern lediglich einer gefühlten, um Wahlbeobachter an ihren Grundrechten zu hindern.

Für beide Maßnahmen gibt es keine gesetzliche Grundlage. Anfragen hierzu ließ die Bundeswahlleiterin unbeantwortet. Deshalb machen wir diese folgenschweren Regelungen und den klaren Verstoß gegen den Wahlgrundsatz der Öffentlichkeit zum Thema im Bundestag.

2. Willkürliche Abberufung eines Wahlhelfers

In Sachsen-Anhalt, konkret in Blankenburg (Harz), wurde ein Wahlhelfer auf Anordnung der Landeswahlleiterin kurz vor der Wahl abberufen – ohne Begründung, ohne rechtliches Gehör. Die offizielle Begründung war vage: „Zweifel an der Geeignetheit zur unparteiischen Ausübung des Wahlehrenamts“.

Wir fragen:

  • Wer entscheidet über solche Abberufungen – die Landeswahlleiterin oder „Sicherheitsbehörden“?
  • Gibt es geheime oder politisch motivierte Prüfverfahren für Wahlhelfer?
  • Reicht künftig eine politische Haltung als Ausschlusskriterium?

Ein solcher Präzedenzfall wirft massive Fragen zur Neutralität und Legitimität der Wahlorganisation auf. Der Betroffene engagiert sich politisch – und ja, im rechten Spektrum. Sollte das künftig als Grund für den Ausschluss als Wahlhelfer ausreichen, wären zehntausende engagierte Bürger pauschal von der Wahlorganisation ausgeschlossen. Die Auszählung läge dann allein in den Händen der Etablierten und ihrer Anhänger.

Die Bedeutung von Wahlhelfern
Diese Vorgänge zeigen, wie wichtig es ist, Wahlhelfer zu werden. Denn Wahlhelfer haben konkrete Rechte und können direkt Einfluss auf den Ablauf nehmen:

Ein Wahlhelfer darf: 

- Vor der Wahl überprüfen, ob die Wahlurne leer und korrekt verschlossen ist.
- Über ungültige Stimmen und das Wahlergebnis mit abstimmen.
- Eine komplette Neuauszählung beantragen.
- Den Wahlablauf aktiv begleiten und sichern.
- Ein kleines Erfrischungsgeld erhalten.


3. Strukturelle Mängel bei der Durchführung der Wahl

Unser dritter Wahleinspruch benennt zahlreiche organisatorische Schwachstellen, die das Vertrauen in die Wahl untergraben – obwohl sie sich einfach, kostengünstig und mit etwas politischem Willen beheben ließen:

  • Keine verpflichtende Identitätskontrolle im Wahllokal
  • Unversiegelte Wahlurnen
  • Unsichere Wahlurnen (z.B. Pappkisten)
  • Keine dokumentierbare Bekanntgabe des Wahllokalergebnisses
  • Späte oder fehlende Veröffentlichung von Wahllokalergebnissen in vielen Bundesländern – keine Überprüfung möglich
  • Intransparente Auszählorte für Briefwahlstimmen
  • Unsichere Lagerung von Frühwahlunterlagen
  • Manipulationsanfälligkeit in Altenheimen
  • Keine verbindliche Prüfung ungültiger Stimmen auf Kreisebene

Diese Schwächen summieren sich – und sie werden ausgenutzt. Sie verwandeln eine formal korrekte Wahl in eine demokratische „Blackbox“ und machen unser Wahlsystem zu einem schlechten Witz.

Warum diese Einsprüche wichtig sind

Wir wissen: Unsere Einsprüche werden die Zusammensetzung des Bundestages nicht verändern. Darum ging es uns auch nie.

Wir sehen sie als Beitrag zur Weiterentwicklung des Wahlrechts – so, wie es der Bundestag selbst formuliert:

„Die Zusendungen helfen in ihrer Gesamtheit, Wahlrecht und Wahlsystem weiterzuentwickeln.“

Deshalb haben wir unsere Pflicht als Bürger, Wähler und zivilgesellschaftliche Organisation wahrgenommen. Jetzt ist der Bundestag am Zug. Wir werden auf die Antworten reagieren und sie nutzen – mit Partnern im Bundestag, in den Länderparlamenten und bei zukünftigen Wahlbeobachterkampagnen.

Denn auch wenn Wahlbeobachtung als „Nischenthema“ gilt, ist sie von grundlegender Bedeutung. Der spürbare Stimmungswandel in diesem Land, der tagtäglich durch viele Menschen erkämpft wird, muss sich auch in den Wahlergebnissen widerspiegeln.

Werden diese Ergebnisse jedoch durch Fehler oder bewusste Manipulation verzerrt, ist all diese Arbeit umsonst. Wir müssen im Wahllokal verteidigen, was wir auf der Straße erkämpft haben.

Dafür nutzen wir alle Mittel.

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