- Mitarbeiter der Stadt schreddern Stimmzettel.
- Ganze Straßenzüge ohne Unterlagen.
- Nur städtische Mitarbeiter als Auszähler.
- Bayern schafft neue Rechtsgrundlage.
- Keine Transparenz.
Es ist der Albtraum aller Wahlbeobachter und Demokraten – eine Wahl ohne Wahllokal und ohne Wähler, die ihre Stimme abgeben können. Durch die Corona-Krise kaum wahrgenommen, fanden gestern in Bayern rund 750 Stichwahlen für Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte statt. Diese Wahlen wurden, erstmals in Deutschland, komplett als Briefwahlen abgehalten. Dabei kam es zu gravierenden Fehlern und Einschnitten in wichtige demokratische Grundrechte.
Was gilt das Wahlgesetz?
Alleine der verordnete Abstand von 1,5 Metern sorgte dafür, dass man nicht prüfen konnte, was der Nebenmann tat. Gezählt wird vielerorts übrigens heute noch, da die restriktiven Maßnahmen dafür sorgten, dass am Wahlabend, wenn man das noch so nennen kann, kein Ergebnis festgestellt werden konnte.
Das bayerische Innenministerium machte deutlich, dass der Schutz vor Corona höheren Stellenwert besitzt als die Wahlgesetzte und änderte diese im Eilverfahren. So schnell kann es gehen.
Die Briefwahl ist sehr fehleranfällig und muss neu geregelt werden, da sind sich Experten einig. Das zeigte sich auch wieder einmal bei den gestrigen Stichwahlen in Bayern.
Enge Rathausmitarbeiter des OB schreddern Stimmzettel
Kulmbach – Bereits beim Wahlgang vor zwei Wochen kam zu einem unglaublichen Vorfall. Zwei Mitarbeiter aus dem engen Umfeld von CSU-Oberbürgermeister Henry Schramm öffneten Wahlunterlagen und vernichteten diese. Schramm, der die Vorwahl für sich entschieden hatte, verlor gestern sein Amt mit 49,2 Prozent, sein SPD-Rivale erhielt 50,8 Prozent. Zuvor hatte die Polizei im städtischen Bauamt Beweise sichergestellt.
Keine Außenstehenden erwünscht – Auszählungen nur durch Stadtpersonal
Erlangen, Forchheim und an vielen anderen Orten – In den meisten Städten hatten freiwillige Wahlhelfer keine Chance. Da eine Wahlbeobachtung durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie unmöglich geworden war, wäre der Einsatz als Wahlhelfer eine Lösung gewesen (wir empfehlen das seit Jahren). Doch dem schoben einige Kommunen einen Riegel vor und machten die Wahl für die Bürger komplett intransparent.
Bürger wollen wählen, können aber nicht
Bad Brückenau – Viele fristgerecht abgesendete Wahlunterlagen sind zwischen dem Briefzentrum Würzburg und Bad Brückenau abhandengekommen. So konnten rund 200 Wahlberechtigte der etwa 6.000 Einwohner aus mehreren Straßenzügen effektiv nicht wählen. Die Stadt hat nun Strafanzeige gestellt. Wie zahlreiche Beispiele zeigen, ist das Sammeln und Fälschen von Briefwahlunterlagen ein weit verbreitetes Phänomen.
Bayern schafft schnell neue Rechtsgrundlage
Im Eiltempo hat Bayern das Wahlgesetz angepasst. Am letzten Dienstag in den Ausschüssen besprochen und am Mittwoch bereits durch den Landtag gewunken, soll die Änderung dafür sorgen, dass die Wahlen trotz ihres intransparenten Ablaufs nicht angefochten werden. Dass grundlegende demokratische Grundrechte beschränkt wurden, scheint nur wenige zu stören.
Nun stellt sich die Frage, warum die vielen Fehler im aktuellen Wahlrecht nicht ebenfalls so schnell behoben werden. Zudem zeigt sich, wie schnell unsere Wahlregelungen geändert werden können, wenn sich alle einig sind – auch zu Lasten der Bürgerbeteiligung und Transparenz.
Ausnahmezustand als Wegbereiter für Abbau der Bürgerrechte
Die derzeitigen Diskussionen über die permanenten Beschränkungen unserer Bürgerrechte, zweifelhafte Tracking-Apps und andere Überlegungen der politische Klasse zeigen, wohin die Reise geht. Deswegen ist es so wichtig, bereits jetzt auf Fehler hinzuweisen und offen zu widersprechen. Der Ausnahmezustand darf nicht zum Totengräber der Demokratie werden.
Erschreckend ist, wie schnell alle Einschnitte und Änderungen akzeptiert werden. Die Wahlgänge gestern sind ein gutes Beispiel dafür. Umso wichtiger sind Bürger, die hinsehen und nicht blind auf überforderte Politiker vertrauen. Ihr Engagement ist mehr denn je gefragt.