Am 1. September werden in Sachsen und Thüringen die Landtage gewählt, gefolgt von Brandenburg am 22. September. Wir sind bereits in diesen drei Bundesländern aktiv und bereiten die Wahlbeobachtung vor – mit dem Schwerpunkt auf Mitbestimmung durch eigene Wahlhelfer.
Doch es geht um mehr. Wir geben einen Ausblick darauf, was uns nach den Wahlen politisch erwartet.
Die Ausgangslage
Die politische Landschaft im Osten befindet sich in massiver Bewegung und birgt das Potenzial für langfristige Veränderungen. Umfragen zeigen einen enormen Vertrauensverlust gegenüber den etablierten Parteien. Die AfD ist derzeit überall die stärkste Partei, während das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zwischen 15 und 20 Prozent gehandelt wird.
Obwohl das BSW aktuell eine patriotische Wende verhindert, wird die Partei als Oppositionskraft zum bestehenden Parteiensystem wahrgenommen. Im Gegensatz zur AfD könnte sich das BSW bereits ab September als Teil von Landesregierungen beweisen müssen. Die vorübergehende Stärke könnte jedoch durch viele erzwungene Kompromisse im Regierungshandeln schnell aufgerieben werden. Zudem ist unklar, ob das aktuell prognostizierte Potenzial sich auch tatsächlich so in Wahlergebnissen manifestieren wird. Denn während Sahra Wagenknecht als „Promi“ gute Miene zum bösen Spiel macht, fehlt es dem BSW an allen Ecken und Enden an Personal, um mögliche Stellen überhaupt besetzen zu können. Betrachtet man die Struktur dieser neuen Partei (Stichwort „Basis“), handelt es sich hier eher um einen medial hochgeschriebenen intellektuellen Papiertiger.
Mehr zu den langfristigen Problemen des BSW in unserem Podcast „Lagebesprechung“:
Drei Länder – drei Szenarien
Sachsen
In Sachsen liegt die AfD mit 30 Prozent nur einen Punkt vor der CDU. Es ist wahrscheinlich, dass die CDU wieder stärkste Kraft wird. Dafür gibt es drei Gründe:
1. Die sächsische CDU ist eine professionelle Wahlkampfmaschine. Bei der letzten Landtagswahl hatte sie jene Wiener Agentur engagiert, die Sebastian Kurz zum österreichischen Bundeskanzler gemacht hat – das wirkt nach. Ob „Team Kretschmer“ oder professionelle Video- und Social-Media-Arbeit: Kretschmer ist bei den Menschen präsent, und die Sachsen können ihn dabei beobachten, ob sie wollen oder nicht.
2. Die CDU betreibt Stimmungspolitik. Kretschmer distanziert sich von der Ampelregierung und greift sie öffentlich an. Obwohl er seit Jahren nichts tut, um insbesondere die Migrationskrise in den Griff zu bekommen, verfangen diese öffentlichen Angriffe – vor allem gegen die Grünen, mit denen die CDU gleichzeitig in Sachsen regiert, die aber in Sachsen besonders unbeliebt sind.
Unsere Social-Media-Kampagne zur letzten Landtagswahl:
3. Die CDU wird die AfD ignorieren, um sie nicht aufzuwerten, und der AfD fehlt es an Ideen, um über das übliche Maß hinaus Aufmerksamkeit zu erzeugen. Sie hat die etablierten Medien gegen sich und muss mit Wahlbetrug rechnen. Wer das nicht glaubt, sollte sich den Fall aus Dresden anschauen, wo um ein Direktmandat im Bundestag betrogen wurde.
Wer Sachsen regieren will, muss vermutlich den Papiertiger BSW ins Boot holen. Die erst im Januar gegründete Partei muss sich dann womöglich gleich in einer Landesregierung beweisen. Entweder zerbricht das instabile Konstrukt aus CDU, BSW und möglicherweise SPD oder das BSW verrät sich als Juniorpartner der CDU komplett. Auf die eine oder andere Weise: Die etablierten Parteien verlieren weiter an Zustimmung und öffnen gesellschaftlich, wenn auch bisher nicht parlamentarisch, die Tür für neue Politikansätze.
Thüringen
In Thüringen gibt es derzeit drei Parteien über 20 Prozent: die AfD mit 29, die CDU mit 22 und das BSW mit 22 Prozent. Auch im Freistaat wird Protest gegen die etablierte Politik vom BSW aufgesogen und der AfD genommen, die vor dem Erstarken der Wagenknechtpartei in den Umfragen bei bis zu 36 Prozent lag.
Anders als in Sachsen spielt der Ministerpräsident der Linken, Bodo Ramelow, bei der zukünftigen Regierungsbildung keine Rolle, und die CDU unter ihrem schwachen Spitzenkandidaten Voigt wirkt zerstritten und unprofessioneller als in Sachsen. Voigt gelingt es nicht, sich in der Wahrnehmung der Thüringer von der Bundes-CDU und den Merkeljahren zu lösen.
Die Regierungsbildung ohne AfD wird noch komplizierter werden. Entscheidend wird, wer nach der AfD stärkste Kraft wird, um Ramelow zu beerben. Auch hier wird eine fragile Koalition notwendig sein, die CDU und das BSW einschließt.
Mit dem Zugpferd Höcke dürfte die AfD stärkste Kraft werden. Wichtig für die Partei wäre, ein Drittel der Sitze im Landtag zu erobern, um bei wichtigen Entscheidungen im Land mitreden zu können – mehr dazu hier.
Brandenburg
Ähnlich kompliziert sieht es in Brandenburg aus. Die AfD führt die Umfragen mit 24 Prozent an, gefolgt von der SPD von Ministerpräsident Woidke mit 19 Prozent, der CDU mit 18 Prozent und dem BSW mit 17 Prozent. Wie in Thüringen wird entscheidend sein, wer nach der AfD die meisten Stimmen erhält und einen Regierungsauftrag bekommt. Nur eine Vielparteienkoalition der Etablierten könnte ohne AfD und BSW auskommen und wäre instabil. Eine solche Koalition würde nur durch die Futtertröge der Macht zusammengehalten und der AfD weiter Auftrieb geben.
Fazit
Auch wenn das Aufkommen des BSW in den Vorständen für Kummer und sinkende Umfragewerte sorgt, blicken wir sehr optimistisch auf die aktuellen BSW-Wähler. In der täglichen Arbeit wird klar, dass diese in großen Teilen Menschen sind, die mit der etablierten Politik komplett abgeschlossen haben und auf der Suche nach etwas Neuem sind. Und, das ist besonders wichtig: Es sind Menschen, die zuvor mehrheitlich nicht AfD gewählt haben. Wenn das BSW sie enttäuscht – und das wird es bei Regierungsbeteiligungen oder der Duldung von CDU-Minderheitsregierungen im Osten –, dann wird dieses Potenzial frei. Es ist unsere Aufgabe, es einzufangen und umzuleiten.
Viel wichtiger ist aber, dass sich die Partei bei der nächsten Bundestagswahl für viele Protestwähler entzaubern wird. Dies bereitet dem BSW-Vorstand bereits jetzt Sorgen, denn die Namensgeberin Sahra Wagenknecht möchte auf Bundesebene mitbestimmen und nicht im Osten. Auch deswegen werden bereits jetzt für die Etablierten fast unerfüllbare Bedingungen gestellt.
Fakt ist: Das politische System ist massiv in Bewegung. Die alten Parteien spielen eine immer geringere Rolle und viele Deutsche sind bereit, neue Wege zu gehen. Wir müssen uns klug verhalten, nicht jammern, wenn es Ende September keinen AfD-Ministerpräsidenten gibt, und diese dennoch bestehende (!) historische Chance nutzen. Dafür braucht es eine stabile Partei, ein analytisches, selbstbewusstes Vorfeld und Wahlbeobachtung, um uns unsere Siege nicht wegnehmen zu lassen.
Es ist wichtiger denn je, in den Wahllokalen präsent zu sein. Wir erklären wie – und zwar hier!