Wenn man die Berichterstattung in den Medien zum Asylkompromiss auf EU-Ebene verfolgt, dann kommt es einem so vor, als ob aus Europa nun eine Festung wird, die alle Migranten abweist. Innerhalb der Ampelkoalition ist ein heftiger Streit ausgebrochen, weil insbesondere bei den Grünen zahlreiche Politiker den Kompromiss als menschenrechtswidrig ablehnen. Ihre Argumentation: Mit dem Abkommen verrate man eigene Ideale. Doch wie so oft zeichnen die Fakten ein anderes Bild der Lage. Wir haben uns den Asylkompromiss genauer angesehen.
Alles andere als „historisch“
„Es waren keine leichten Entscheidungen, aber es waren historische“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) als sie in der letzten Woche die Sitzung der EU-Innenminister verließ. Der politische Druck in der Heimat drängte sie wohl zu diesen großen Tönen. Denn in Deutschland kollabiert gerade das Asylsystem; die Kommunen ächzen unter der seit 2015 andauernden Belastung durch die Millionen Migranten. Dazu kommen weitere Flüchtlinge aus der Ukraine. Die steigenden Unterbringungs-, Betreuungs- und Folgekosten ruinieren die Gemeinden und Städte finanziell. Viele Bürger haben kein Verständnis für die Politik der unkontrollierten Grenzen. Dementsprechend steigen die Umfragewerte der AfD.
Doch „historisch“ ist das nicht, was Faeser liefert – im Gegenteil. Sie hat im Auftrag der Bundesregierung jede Verschärfung in Sachen Asyl ausgebremst. Dennoch wertet die linksliberale Blase den Kompromiss als Ausverkauf der Menschenrechtsideologie. Die Ergebnisse der Innenministerrunde werden jedoch erst im Herbst mit der EU-Kommission und dem EU-Parlament verhandelt. Vor der EU-Wahl im Juni 2024 will man die neuen Regeln dann beschließen. Bis sie wirklich an den Außengrenzen umgesetzt werden können, wird mindestens ein Jahr vergehen – Experten gehen sogar von deutlich mehr Zeit aus.
Was in dem Papier eigentlich steht
Der Grund für die zögerliche Umsetzung sind nicht nur die langwierigen und komplizierten politischen Verfahren in der EU, sondern auch die konkreten Vorhaben. Denn in Zukunft soll es an den EU-Außengrenzen sog. Grenzverfahren geben, die in Einrichtungen auf EU-Boden durchgeführt werden sollen. Derweil würden die Asylsuchenden aber noch nicht als „eingereist“ gelten. Die Einrichtungen müssen nach einer politischen Entscheidung aber erst einmal geschaffen werden, um die Grenzverfahren dann innerhalb von nur 12 Wochen durchführen zu können.
Doch diese Grenzverfahren werden nur einen winzigen Teil der Asylsuchenden betreffen. Sie sollen nur für Herkunftsländer gelten, die eine aktuelle Schutzquote von unter 20 Prozent haben. Das würde hauptsächlich auf Menschen aus Georgien, Tunesien, Bangladesch, Serbien oder Albanien zutreffen. Syrer (Schutzquote 2023: 84,2 Prozent) oder Afghanen (Schutzquote 2023: 73,8 Prozent), die aktuell hunderttausendfach nach Deutschland einwandern, wären von dem „Kompromiss“ überhaupt nicht betroffen und würden ein „normales“ Verfahren durchlaufen.
Auch Minderjährige aus den Herkunftsländern mit geringer Schutzquote sind ausgenommen und könnten einreisen. Die Bundesregierung möchte zudem beim EU-Gipfel in der kommenden Woche nachverhandeln und auch Familien mit Kindern von der Regelung ausnehmen.
Dass dies lediglich dafür sorgen würde, dass sich vermehrt Migranten als Minderjährige ausgeben oder Familie bewusst Kinder zu ihrer illegalen Einreise mitnehmen, blendet man aus. Ebenso wie das Sterben im Mittelmeer, welches nur durch die Politik der offenen Grenzen verursacht wird.
Die Illusion von Solidarität
Zudem sollen jährlich 30.000 Migranten innerhalb Europas umverteilt werden. Dieser Schritt zielt vor allem auf die osteuropäischen EU-Staaten ab, die sich aktuell weigern, Migranten aufzunehmen. Sie haben erkannt, dass dies zum Erhalt ihrer nationalen Identität, aus Sicherheitsbedenken und um ihrer Bildungs- und Sozialsysteme willen notwendig ist. Nach den Wünschen der EU sollen diese Staaten in Zukunft dann entweder die Fremden unterbringen müssen oder pro Kopf 20.000 Euro zahlen.
Wenn man bedenkt, welche Kosten ein Asylbewerber in Deutschland verursacht, ist die Sache ganz klar. Zahlen ist auch für den sozialen Frieden günstiger als das Aufnehmen weiterer Einwanderer. Da die osteuropäischen EU-Staaten zumeist hohe EU-Zuschüsse erhalten, würde diese Regelung am Ende eine einfache Kürzung der EU-Subventionen bedeuten, die sich vermutlich verschmerzen lässt. Aber Ungarn und Polen haben für den EU-Gipfel zu diesem Punkt bereits Gesprächsbedarf angemeldet. Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen.
Interessanter Fakt: Die Verteilung von Migranten durch den „Solidaritätsmechanismus“ würde dazu führen, dass Deutschland aufgrund seiner Größe 6.000 zusätzliche Migranten aufnehmen muss.
Sicherheit und Kontrolle bisher vernachlässigt
Doch der Asylkompromisses krankt an einem weiteren Problem: die mögliche Vernachlässigung von Sicherheitsaspekten. Nach dem Willen einiger EU-Staaten sollen endlich alle Neuankömmlinge registriert werden. Doch dafür müsste man erst einmal aller Migranten habhaft werden, die in die EU einreisen. Dies findet bisher nicht statt und spielt auch bei den aktuellen Beschlüssen kaum eine Rolle.
Aber in Anbetracht der Tatsache, dass einige Hauptherkunftsländer im Nahen Osten und in Afrika von politischer Instabilität und Terrorismus bedroht sind, pocht man sogar in Brüssel auf eine angemessene Sicherheitsüberprüfung von Asylsuchenden. Der Kompromiss könnte dieses Vorhaben jedoch unterlaufen, da die Überprüfungsprozesse von den südeuropäischen Staaten vernachlässigt würden, weil sie die Migranten lieber schnell weiterschicken wollen. Dies würde ein weiteres Sicherheitsrisiko für alle Mitgliedstaaten darstellen. Auch hier gibt es noch Gesprächsbedarf, weil die Staaten an den Außengrenzen bisher mit den Problemen, die andere Länder – wie Deutschland – verursachen, alleine gelassen wurden. Mangelnde Kontrollen und ein „Durchwinken“ Richtung Norden waren in der Vergangenheit die Folge, der Kompromiss würde dieses Problem aber unangetastet lassen.
Innenpolitischer Sprengstoff
Selbst diese Minimalkompromisse, die erst weit in der Zukunft greifen werden und für Deutschland keine Verbesserung der aktuellen Lage bedeuten, sorgen für Streit in der Ampelkoalition. Für die Grüne Jugend tut Deutschland noch nicht genug für die Wirtschaftsflüchtlinge aus aller Welt. Und so geht man bereits gegen die Beschlüsse der eigenen Bundesregierung auf die Straße – natürlich mit Linksextremisten.
Grüne Jugend demonstriert mit linksextremen Symbolen und eigenem „No Border. No Nation. Stop Deportation."-Transparent. Quelle: Screenshot, Berichtet aus Berlin, ARD
Der Rest des Parteienspektrums muss sich noch einig werden, ob man in der Öffentlichkeit überhaupt kritisch über Migration diskutieren darf. Denn obwohl die Kommunalverbände Alarm schlagen und sich immer mehr Menschen gegen die bundesdeutsche Asylpolitik stellen, ist die größte Angst der etablierten Politik, dass die Umfragewerte der AfD noch weiter steigen.
Doch das Thema Migration macht einmal mehr deutlich, wie weit sich die politische Herrschaftsschicht von der Realität der Bürger entfernt hat. Ohne den Druck von EU-Staaten wie Polen und Ungarn würde sich gar nichts ändern. Der von Deutschland verursachte Schaden ist mittlerweile so groß, dass andere für uns die Karren aus dem Dreck ziehen müssen.