Spätestens seit dem Beginn der „Flüchtlingskrise“ im Jahr 2015 steht das Thema Entwicklungshilfe wieder ganz oben auf der politischen Agenda. Angesichts des auffällig hohen Anteils afrikanischer Migranten sprechen europäische Politiker von „Entwicklungspolitik“ als einer „Schicksalsfrage für Europa“. Tatsächlich ist in Zukunft ein Anstieg der Migrationsbewegungen von Süden nach Norden zu erwarten: Bevölkerungswachstum und Perspektivlosigkeit in der Sub-Sahara-Zone wirken als Push-, „Willkommenskultur“ und Wohlstand als Push-Faktoren für junge Afrikaner. Kann die derzeitige Entwicklungshilfe dieser Realität gerecht werden?
Entwicklungspolitik heute
Im Jahr 2017 verfügte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) über 8,5 Milliarden Euro. Die Hälfte wurde für „bilaterale staatliche Zusammenarbeit“ verwendet. Eine Milliarde standen für die Förderung „zivilgesellschaftlichen, kommunalen und wirtschaftlichen Engagements“ zur Verfügung, 320 Millionen waren für „Ernährungssicherung“ und „Umweltschutz“ vorgesehen. Als weltweite Maßzahl zum Vergleich der jeweiligen „Entwicklungsleistungen“ dient die „Official Development Assistance-Quote“ (ODA-Quote). Diese sieht vor, dass 0,7 Prozent des nationalen BIP für Entwicklungszusammenarbeit verwendet werden sollen. Nach OECD-Angaben belief sich die deutsche ODA-Quote 2017 auf 0,66 Prozent des BIP oder 24,7 Milliarden Dollar. Die ODA-Quote liegt also deutlich über dem Budget des BMZ. Das ist darauf zurückzuführen, dass auch Maßnahmen, die nicht in den Bereich des BMZ fallen, als ODA gelten können (mehr hier). Weltweit wurden knapp 147 Milliarden US-Dollar im Rahmen der „Entwicklungshilfe“ von Mitgliedsländern des OECD-Development Assistance Committee (DAC) aufgebracht.
Lösung „Marshallplan mit Afrika“?
Trotz dieser hohen Summe haben sich die Zustände im globalen Süden nicht verbessert. Der Ökonom Prof. Axel Dreher meint dazu in einem Interview: „Klar ist […], dass wir keinen deutlichen Zusammenhang zwischen Entwicklungshilfe und beispielsweise Wirtschaftswachstum oder Armutsreduktion finden. Es lässt sich nicht nachweisen, dass Entwicklungshilfe überhaupt einen Effekt hat.“ Dieser Expertenmeinung zum Trotz plant der deutsche Entwicklungsminister einen „Marshallplan mit Afrika“. Demzufolge soll der Schwerpunkt auf eine Entwicklung „von unten“ gelegt werden. Das Bemühen, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen, ist in dem Dokument klar erkennbar. Dennoch verbleiben Zweifel. Warum sollte jetzt alles anders werden? Immerhin sieht der Marshallplan eine weitere Erhöhung der Finanzmittel vor.
Die wichtigste Säule des „Marshallplans“ ist allerdings die Wahrung und Verbreitung westlicher Werte in Afrika: Menschrechte, freie Märkte und Demokratie. Der Verdacht liegt nahe, dass der neue „Marshallplan“ somit zu einem Instrument des westlichen Werteimperialismus degeneriert und damit alternative Lösungen, wie sie z.B. in Süd- und Mittelamerika zunehmend beschritten werden, verunmöglicht. Neue Konflikte sind vorprogrammiert. Nicht zuletzt, weil China seit 2013 an der Umsetzung des Projekts „One Belt, one Road“ (alias „Neue Seidenstraße“) arbeitet, in dem Afrika eine wichtige Rolle spielt.
Kritik an „Entwicklungspolitik“
Auch in der Politikwissenschaft entstehen abseits des neoliberalen Mainstreams alternative Ansätze. Sowohl links wie rechts äußern Wissenschaftler und Philosophen zunehmend Kritik an der vermeintlich alternativlosen „Entwicklungspolitik“, die von beiden Seiten als Verbreitung des westlich-kapitalistischen Wirtschaftsmodells angefeindet wird. Damit einher gehen Traditionsverlust, Auflösung stabiler Gemeinschaften, Verelendung, Landflucht, kurz: die Zerstörung der tradierten Lebenswelt. Am Ende stehen Perspektivlosigkeit und Migration. Die kritischen Ansätze werden unter dem Begriff des „Post-Development“ zusammengefasst. Als bekannteste Vertreter gelten Gustavo Esteva, Wolfgang Sachs und Aram Ziai. Ihre Ideen finden v.a. in linken, globalisierungskritischen Kreisen Anhänger. Doch auch neurechte, identitäre Ideen (z.B. von Alain de Benoist) müssen unter dem Prädikat „Globalisierungskritik“ eingeordnet werden. Die Ähnlichkeit der Ansätze ist teilweise frappierend.
Gibt es andere Lösungen?
Die Migrationskrise hat das Bewusstsein für die globale Verantwortung Europas geschärft. Will man allen Völkern ihren Lebensraum und die Art ihrer Gemeinschaft erhalten, so müssen Lösungen gefunden werden, die nicht dem Dogma des „Weiter so“ folgen. Ständiges Wirtschaftswachstum, neue Technologien, Digitalisierung – wie lange können wir noch auf Kosten unserer Nachfahren leben?
Einen nachhaltigen Ansatz verfolgt die „Alternativ Help Association“, kurz AHA. Diese hat sich die sogenannte „Hilfe vor Ort“ zum Ziel gesetzt. Das erste Projekt wurde im Libanon bereits verwirklicht. AHA leistet nur Unterstützung zur Existenzerhaltung unter Beachtung der lokalen Traditionen und Lebensweisen. Zwei weitere Projekt in Syrien befinden sich in Planung. Wo die Hilfe im Großen scheitert und Gelder in undurchsichtigen Netzwerken versickern, müssen eben kleine Projekte die Arbeit übernehmen: Nur miteinander können die Folgen der Globalisierung bekämpft und ein menschenwürdiges Leben in der Heimat ermöglicht werden.