Kunstprojekt: Trojanisches Pferd in Dresden

Es regnet auf dem Dresdner Altmarkt. Während Menschen in der ganzen Stadt so schnell wie möglich zurück ins Trockene huschen, trotzen hier einige wenige der Nässe. Direkt vor dem modernen Kulturpalast steht eine überdimensionierte schwarze Skulptur – es ist das trojanische Pferd, das im Zentrum einer Kunstaktion des Vereins „Pro Mitsprache“ steht. Neben der Installation drängen sich eine Handvoll Leute unter einen Gartenpavillon, es sind die Organisatoren des ambitionierten Projekts. „Ein Prozent“ hat sich mit ihnen getroffen.

Trotz Regen: Viel Zuspruch

Unter dem Plastikdach angekommen, nehmen wir neben René Jahn Platz, der zusammen mit zahlreichen anderen Mitstreitern das Projekt aus dem Boden gestampft hat. Die Idee dazu kam ihm bereits im Oktober 2017, erzählt er uns, aber konkrete Formen habe das Vorhaben erst im Januar angenommen. Mit einem Trojanischen Pferd inmitten von Dresden wolle man ein Zeichen setzen und auf die gegenwärtige, hochbrisante Lage hinweisen.

Unsere Interpretation: Ähnlich wie im antiken, mythischen Troja bekämen auch heute die Bürger Deutschlands ein Trojanisches Pferd vor die Stadt gestellt, aber diesmal in Form von vorgegebenen Meinungen und Ansichten. Und die würden nun ohne nachzudenken oder hinterfragt zu werden in die eigene Stadt, also in das Eigene, hineingenommen. Viele stünden hilflos vor diesem Trojanischen Pferd und wollten sich dieses fremdartige Objekt gar nicht zu eigen machen. Busse werden als Symbol auf dem Dresdner Neumarkt ausgestellt – die Bürger reagieren mit einem Pferd auf dem Altmarkt.

Entkräften möchten die Initiatoren die Interpretation, die meist von ganz links unterstellt wird: dass mit dem Trojanischen Pferd die Flüchtlinge gemeint sind, die man doch wie die damals besser vor den Toren stehen lassen solle. „Das war uns von Anfang an klar, dass so etwas kommen wird“, sagt Jahn. Wer sich ein bisschen mit ihm und seinem Team unterhält, merkt schnell: So einfach ist es nicht. Was im Mittelpunkt des Projekts stehen soll, was man damit verbindet, was die Aussage sein soll – darüber hat man sich den Kopf zerbrochen, lange nachgedacht und das Ergebnis des Denkprozesses dann umgesetzt. Flache Botschaften gibt es hier nicht.

Wir wollen wissen, was letztendlich den Ausschlag gegeben hat, ein eigenes Projekt hochzuziehen. Jahn muss nicht lange überlegen: „Mich hat das schon lange gestört, dass uns hier Sachen vor die Nase gesetzt werden und man das einfach akzeptieren soll.“ Mit einigen Gleichgesinnten beschloss man dann: „Wir machen unser eigenes Ding – ohne staatliche Zuwendungen und ohne erhobenen Zeigefinger.“ Damit macht Jahn auch die unideologische Ausrichtung klar. Niemandem soll vorgeschrieben werden, was er zu denken habe, auch das eigene Projekt solle mehr zum Nachdenken als zur Erziehung dienen. Unabhängig vom Symbol soll außerdem klar werden: „Wir sind nicht gegen etwas, wir sind für etwas: Für Mitbestimmung und für Mitsprache!“

Viel Zuspruch, keine Störer

„Die letzten vier Tage waren einfach nur Gänsehaut pur“ – das ist Jahns Fazit, die Gruppe nickt. Etwa 90 Prozent der Passanten seien dem Projekt aufgeschlossen bis offen sympathisierend gegenübergestanden, berichtet der 52-Jährige. „Das wirklich Beachtliche ist aber, dass diese Gruppe wirklich komplett inhomogen ist“, schaltet sich Susanne Dagen ein. Bereits bei der „Dresdner Charta 2017“ mit Uwe Tellkamp hatte sie mitgewirkt. Besonders eindrucksvoll findet sie, dass Leute unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Sozialisation und aus unterschiedlichen Berufen ihre Unterstützung zu dem Projekt signalisiert haben. Über die gemeinsame Ansicht hätte man auch schnell eine Verbindung über die ganzen Unterschiede hinweg gefunden. Es mag vielleicht nach einer typisch bundesdeutschen Parole klingen, aber Dagen sagt es trotzdem: „Wir wollen uns nicht über die Unterschiede definieren, sondern über die Gemeinsamkeiten.“ Das sei besonders im heutigen Lagerdenken so schwer wie nie geworden, aber gerade deswegen wichtiger denn je. „Es geht ja auch darum, den anderen auch Mut zu machen“, meint die Buchhändlerin aus Loschwitz, „vielleicht können wir ein Vorbild sein“. Für Dagen ist klar: „Wir haben nicht nur Dialogbereitschaft signalisiert, sondern auch praktiziert.“ Teilweise in Sechs-Stunden-Schichten sei man beim Pferd gestanden, habe geredet, erklärt – aber sie könne trotzdem erfüllt nach Hause gehen. „Da ist man dann voller Adrenalin.“

Blick in die Zukunft

Trotz der guten Erfahrungen sind die Organisatoren froh, dass jetzt wieder Zeit zum Durchschnaufen bleibt. Wir haken nach: Und dann? Pläne für die Zukunft seien schon gemacht worden, so Jahn. „Darüber wollen wir aber noch nicht reden“. „Erstmal Luft holen“, das schienen viele im Team so zu sehen. Weitergehen wird es aber definitiv: „Ich glaube nicht, dass wir jetzt alle wieder auseinander rennen“, meint Dagen. Sowohl die Möglichkeit, mit dem „Pferd“ auf Wanderschaft durch mehrere Städte zu gehen, als auch die Option, etwas vollkommen anderes künstlerisch anzupacken, steht im Raum. Welche Pläne noch durch die Köpfe geistern, darüber gewährt uns Jahn dann doch einen kurzen Einblick: Man könnte vielleicht regional etwas bewirken, wenn man etwa ein kommunales Bürgerbündnis bilden würde. Die Parteienblöcke seien oftmals zu starr, mit flexiblen Leuten könnte man dagegen wirklich etwas erreichen, spinnt Jahn den Faden weiter. Aber das stehe alles noch in den Sternen.

Dialogbereitschaft Tag und Nacht

Staatliche Sanktionen gegen Patrioten, Übergriffe und Störungen durch Linksextreme – für viele Initiatoren vermeintlich „rechter“ Projekte ist das trauriger Alltag geworden. Tag und Nacht waren immer Mitglieder des Vereins „Pro Mitsprache“ bei dem Pferd, um es zu bewachen, aber auch um immer als Dialogpartner vor Ort zu sein. Zwischenfälle oder gar Angriffe gab es aber keine – der hartnäckigste Widerstand war tatsächlich die deutsche Bürokratie gewesen. Brandschutzbestimmungen, statische Gutachten, Denkmalschutzauflagen – mit all diesen Dingen mussten sich Jahn, Dagen und die anderen die vergangenen zwölf Wochen der Planungsphase herumschlagen.

Für die Menschen hinter „Pro Mitsprache“ hat es sich gelohnt: „Wir haben viel Zeit rein investiert“, sagt Jahn und meint damit alle, „aber es ist schon ein ungemeiner Ansporn, wenn so viele Menschen zu dir kommen und meinen 'Weiter so, macht weiter!'“ Diesen Rat nehmen sich die Initiatoren zu Herzen: Die „Trojaner“ denken gar nicht ans Aufhören.

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Kommentare (2)

holle
fuer mich steht das pferd fuer viele kroeten, die zu viele aus naivitaet oder bequemlichkeit oder beidem schlucken.
Holger Prade
Klasse Aktion. Aus Speyer hat man Interesse und würde die Statue ebenfalls gern aufstellen. 030 227 74171

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